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117. Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht. 
Napoleon war durch den neuen Sieg über Oestreich so 
übermüthig geworden, daß er nun nicht mehr nöthig zu haben 
glaubte, seine wahre Absicht, sich zum Herrn von ganz Europa 
zu machen, zu verbergen. Von nun an verfuhr er ganz rück¬ 
sichtslos. Er vergab Kronen, um sie, sobald es ihm beliebte, 
wieder zurückzufordern, und bemächtigte sich ohne Umstande der 
Lander, die ihm anstanden. Wie selbstsüchtig er sey, zeigte er 
am deutlichsten bei der Verleihung des Großherzogthums Berg 
an den Kronprinzen von Holland, indem er dem jungen Prin¬ 
zen, als dieser nach Paris kam, ausdrücklich einschärfte: „ver¬ 
giß nie, in welche Lage dich auch der Vortheil des großen 
Reichs setzen mag, daß deine erste Pflicht gegen mich ist, deine 
zweite gegen Frankreich. Alle deine andern Pflichten, selbst 
die gegen die Völker, die ich dir anvertrauen könnte, stehen 
jenen nach." Also der Vortheil Napoleons sollte das Haupt¬ 
streben aller ihm verbundenen Fürsten seyn, die Völker mochten 
nun darunter leiden oder nicht! Sollte wohl ein Mann, der 
so engherzig dachte, ein großer Mann genannt werden können? 
Von seiner Selbstsucht gab er noch in demselben Jahre 
einen neuen auffallenden Beweis. Seine Frau, Joseph ine, 
harte er bisher aufrichtig geliebt, und sie ihn auch. Sie stand 
ihm als sein guter Engel zur Seite, und hatte ihn durch rüh¬ 
rende Bitten manchmal von Grausamkeiten zurückgehalten; 
auch verdankte er ihr den ersten Anfang seines Glücks. Den¬ 
noch verstieß er sie, weil sie keine Kinder hatte, und weil es 
seinem Stolze wohl that, eine Kaisertochter sich zu vermählen. 
„Der Vortheil von Frankreich," so wandte er vor, „verlangt 
es, daß ich meinen Thron eigenen Kindern hinterlasse; ich 
muß daher die süßesten Gefühle meines Herzens aufopscrn, 
indem ich nur auf das Heil des Staats höre." Mit gebro¬ 
chenem Herzen unterschrieb Iosephi'ne den Scheidebrief, und 
zog sich nach dem Schlosse Malmaison unweit Paris zurück, 
wo sie bis zu ihrem im Jahre 1813 erfolgten Tode in der 
Stille lebte, indem sie im Wohlthun ihre Freude fand. Die 
Scheidung erfolgte am löten December 1809, und nun warb 
er erst um eine Schwester Kaiser Alexanders, erhielt aber eine
	        
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