Full text: Das Jahrhundert des Großen Kurfürsten (Bd. 1)

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bekommen. Ihr braucht euch vor niemand mehr zu fürchten. Räumet 
im Hause fein wieder auf, ich werde mein Quartier bei euch nehmen!" 
Er stellte noch zwei Posten vor das Haus, die keinen mehr hinein¬ 
lassen sollten, und ritt dann fort, mit dem Versprechen, bald wieder 
zu kommen und nach uns zu sehen. 
Alle, die nun in unser Haus wollten, wurden von unserer 
Wache zurückgetrieben, und wenn auch etliche dabei einen losen Mund 
hatten und meinten, der Lilly hätte ihnen ja erlaubt, drei Tage 
lang zu plündern, zu rauben und totzuschlagen, so hüteten sie sich 
doch, einzudringen, sobald sie hörten, daß der Oberstwachtmeister vom 
Savellischen Regiments hier sein Quartier hätte. Sie forderten nur 
zu trinken und gingen alsbald weiter. Unfern Schuhwachen setzten 
wir kalten Braten vor und eine frische Kanne guten Bieres. Das 
schmeckte ihnen so vortrefflich, daß sie meinten, es wäre ein köstlicher 
Trank, wir sollten davon so viel wie möglich dem Herrn Obersten 
aufheben. Hernach klagten sie: „Was haben wir nun? wir können 
keine Beute machen, da wir euch beschützen müssen!" Wir aber redeten 
ihnen gut zu und gaben einem jeden zwei Dukaten, thaten ihnen auch 
sonst, so viel wir konnten, so daß sie wohl zufrieden waren. 
Unser Oberst kam bald zurück und fragte, ob wir auch noch in 
Ruhe gelassen würden. Als wir mit ja antworteten, meinte er: 
„Seid guten Mutes! ich will nur hinreiten und sehen, ob wir 
des Feuers, das ausgekommen ist, nicht Herr werden können!" Kaum 
aber war er fort, so kehrte er auch gleich wieder zu uns um und 
ries: „Frau, nehmet den Zaum meines Pferdes und euren Mann 
bei der Hand und führet mich zur Stadt hinaus, oder wir müssen 
alle im Feuer umkommen!" Das Feuer hatte wirklich gewaltig über¬ 
hand genommen; hinter unserer Kirche sah man auf dem Breiten 
Wege dicken, schwarzen Rauch aufsteigen. Alles, was wir in der 
Eile noch fassen konnten, warfen wir in den Keller, auch meinen 
Schlafpelz, den wir hernach gut genug hätten gebrauchen können, und 
schütteten ein wenig Erde auf die Fallthür. Meine Frau nahm 
einen von meinen Predigerröcken über die Achsel, obgleich ich ihr 
solches zu verwehren suchte, da er sehr schwer war, unsere Magd 
aber das Kind unsers Gevatters und Nachbars, Joachim Krüger, ans 
den Arm, das ganz allein aus der Straße war und sonst verbrannt 
wäre, und also traten wir unsere Wanderung an. Meine Frau 
leitete des Obersten Pferd am Zaum; alle Thorgebäude standen schon 
in Flammen, und wir konnten nirgends hindurch. Deshalb gingen 
wir auss Fischeruser zu und konnten unterwegs wohl bemerken, daß 
schon die halbe Stadt brannte. Überall lagen Leichen von Er¬ 
schlagenen. Wir stießen auch auf viele Kroaten, die, sobald sie mich an 
meinem Rock als Prediger erkannten, gleich ans mich hauen, schießen 
und stechen wollten. Der Oberst hatte Mühe genug, uns zu schützen. 
Als wir nun endlich draußen im Lager und aus dem mörderischen 
und gottlosen Treiben in einiger Sicherheit waren, sagte der Ossizier: 
„Frau, ich habe euch und eurem Manne das Leben gerettet, was be¬ 
komme ich nun dafür?" Wir antworteten, daß wir unsern ganzen
	        
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