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Muhamed.
jenem Brunnen, der ihrem Stammvater das Leben rettete, eine so hohe
Achtung erweisen. Noch jetzt kommen Pilgrimme aus fernen Landern
nach Mekka und beten in der Kaaba und küssen den schwarzen Stein
und trinken aus dem Brunnen der Hagar, waschen sich aus demselben
und nehmen in kleinen Fläschchen heiliges Wasser mit in ihre Hei-
math, den Freunden das kostbarste Angedenken, für alle Krankheiten
ein sicheres Heilmittel voll wunderbarer Kraft.
§ 68. Wegen jener Heiligthümer stand Mekka in hohem Ansehn
vor allen andern Städten Arabiens; durch den Zusammenfluß von
Fremden, theils Pilgern, theils Kaufleuten, war die Stadt zu großer
Wohlhabenheit gelangt. Einen noch höhern Ruhm erreichte sie um
das Jahr 622 durch Muhamed oder Mahomed, welcher der Stif¬
ter einer neuen Religion geworden ist, die nach ihm die muhamedani-
sche heißt. Muhamed war aus dem Stamme der Kore'ischiten, welche
die Aufsicht über die Kaaba führten. Seinen Vater Abdallah verlor
er sehr früh; von seinem Großvater, spater von einem Oheim wurde
er erzogen; er widmete sich der Kaufmannschaft; eine reiche Wittwe,
Kadidscha, übergab ihm ihre Handelsgeschäfte und bot ihm ihre Hand.
Im Besitze großer Reichthümer konnte er nun ein geruhiges Leben
führen, sich dem Nachdenken, welches früh schon in ihm geweckt wor¬
den war, überlassen, die reichen Erfahrungen, welche er theils bei dem
Zusammenflüsse von Menschen aus fremden Ländern in Mekka, theils
auf seinen weiten Reisen gemacht hatte, konnte er ungestört überdenken
und benutzen. Er erkannte, wie unvollkommen der Gottesdienst bei
den Arabern war und suchte ihn zu läutern. Mit der Religion der
Juden war er nicht unbekannt; die Propheten, welche unter ihnen
aufgetreten waren, waren ihm ehrwürdige, von Gott zum Heile des
Volkes gesendete Männer. Er wußte, daß den Juden ein Messias
verheißen sei und daß die Christen in Jesu Christo diesen Messias ver¬
ehrten; er wußte auch, daß Christus den Seinen versprochen hatte, er
wolle ihnen einen Tröster senden, der sie in alle Wahrheit leiten solle.
AUmälig hatte sich in Muhameds Seele der Gedanke festgesetzt, daß er
selbst der von Christo verheißene Tröster sei, berufen, die Welt in alle
Wahrheit zu leiten. Dieser Idee gab er sich nun mit voller Seele
hin; immer gewisser ward er seiner göttlichen Sendung; durch Traum¬
gesichte (Visionen) erhielt er Aufschluß über die Geheimnisse Gottes; er
betrachtete sich als göttlichen Propheten, auch rühmte er von sich, daß
der Erzengel Gabriel ihn in den Himmel geführt habe, — im Nu
durch aller Himmel Himmel. *
Anfangs theilte er sich nur wenigen Vertrauten mit; bei einem
Gastmahle aber wagte er es, vor den Kore'sschiten von seiner Sendung