Karthago's.
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Wie tief auch diese Forderung schmerzen mußte; es ward ihr nachge¬
kommen. Immer weiter gingen die Römer in ihrem Uebermuthe. Die
Karthager, hieß es, sollen ihre Stadt verlassen, sie den Römern über¬
geben, daß sie zerstört werde, und sich mindestens 5 Stunden weit von
der Küste aufs Neue anbauen. Unter Jammer und Wehklagen wurde
dieser Befehl vernommen; aber jetzt siegte die untertretene Vaterlands¬
liebe der Karthager über die höhnenden Drohungen und Machtgebote
Roms. Die Stätte, auf welcher ihre Vater gewandelt, wo der schützen¬
den Götter Tempel und Altäre standen, die ihnen selbst die heiligste
war — sie feig zu verlassen, dazu konnte kein Machtgebot sie bringen.
Die ganze Stadt wurde in eine Waffen-Werkstätte verwandelt, denn es galt
die ausgelieferten Waffen wieder zu ersetzen. Häuser wurden nieder¬
gerissen, daß man Balken zum Bauen der Schiffe erhielt; aus den
Tempeln nahm man alles Metall, um es zu Waffen zu verarbeiten;
Frauen und Jungfrauen schnitten ihr Haar ab und flochten Bogen¬
sehnen daraus. Kriegerischer Muth durchdrang Männer und Frauen;
auch die Sclaven wurden freigelassen, um zur Vertheidigung der Stadt
ihren Arm zu bieten. Die Gerechtigkeit der Sache, der es galt, machte,
daß dies nicht ein schnell aufflackernder und eben so schnell wieder ver¬
löschender Entschluß war; mit jedem Tagestieg der Muth. Die römischen
Heere kamen heran und wurden geschlagen; sie kamen wieder und mu߬
ten wieder weichen. Drei Jahre lang (149 —146) währte die Bela¬
gerung der Stadt. Endlich ward Karthago erstürmt; die Römer waren
schon innerhalb der Mauern, noch ruhete der Kampf nicht; fast jeder
Schritt mußte mit Blut erkauft werden. Denn die Karthager, jetzt
zur Verzweiflung gebracht, wollten lieber ruhmvoll sterben, als durch
die Gnade der Sieger leben. Sieben Tage hindurch wurde der Kampf
im Innern fortgesetzt; darauf begann das Zerstörungsweck; 17 Tage
lang zehrte die Flamme an der Stadt; dann ward auf Befehl des rö¬
mischen Senats Alles dem Boden gleich gemacht, daß auch keine Spur
von dem einst so herrlich blühenden Karthago übrig blieb. Durch eine
feierliche Verwünschung ward dieser Platz zu einer ewigen Wüste be¬
stimmt. Publius Scipio hieß der Feldherr, der die Belagerung und
Eroberung geleitet hatte. Als in der Stadt die Flammen wütheten,
da gedachte er des Schicksals seiner Vaterstadt Rom, die, jetzt so mächtig
und furchtbar in ihrer Macht, einem ähnlichen Schicksale einst in früherer
oder späterer Zeit erliegen werde; denn wie Menschen geboren werden,
um zu sterben, so erheben sich Städte und Königreiche, um wieder un¬
terzugehen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Dieses Loos der Sterblichen
ist auch das Loos aller Werke, welche durch Menschenhände hervorge¬
bracht werden.