Full text: Der kleine Kinderfreund

324 
2 
Das zu Anfang so ruhmreiche Herrschergeschlecht der Karolinger nahm 
iu allen drei Reichen an Macht und Ansehen noch rascher ab. als früher 
das Geschlecht der Merowinger. Die Nachkommen Lothars starben schon 
im Jahre 875 aus. Da kam es zwischen den deutschen und französischen 
Karolingern wegen der Erbschaft zum Kriege. Karl der Kahle, der schon das 
ganze linke Rheinufer besetzt hatte, um es seinem Reiche einzuverleiben, wurde 
auf dem Maifelde zwischen Koblenz und Andernach in einer blutigen 
Schlacht besiegt. Ganz Lothringen wurde darauf mit dem deutschen 
Reiche vereinigt. Wie Straßburg und Mainz, so blieben von dieser 
Zeit an auch die wichtigen Städte Köln, Aachen, Trier, Koblenz mit Deutsch¬ 
land verbunden. Auch über die Niederlande herrschte der deutsche König. 
Italien aber, auf dem die Kaiserwürde haftete, blieb stets ein Zankapfel; 
gar manche blutige Kriege sind um den Besitz dieses Landes geführt worden. 
Viele deutsche Könige sind nachmals nach Rom gegangen, um sich vom 
Papste krönen zu lassen. Doch mußten sie sich die Krone meistens erst er¬ 
kämpfen. Darum hat auch der große, friedliebende König Rudolph von 
Habs bürg sich mit seiner Königswürde begnügen wollen und sich nicht ent¬ 
schließen können, nach Rom zu ziehen. Diese Stadt sei der Höhle des Lö¬ 
wen zu vergleichen, sagte er einmal; gar viele Fußtapfen führten hinein, 
aber keine wieder heraus. 
In Deutschland starb das Geschlecht der Karolinger im Jahre 911 mit 
Ludwig dem Kinde aus. „Wehe dem Lande, deß König ein Kind ist!" steht 
in der heiligen Schrift. Und das hat unser deutsches Vaterland damals 
genugsam erfahren. Von außen kamen Jahr für Jahr Witte Feinde. die 
das Land verwüsteten, das Volk beraubten und Viele in- die Gefangenschaft 
schleppten. Von Norden her kamen die Normannen, die auf leichten 
Kähnen vom Meere her die Ströme hinauf fuhren und Städte und Dörfer 
plünderten und brandschatzten. Selbst bis in die Gegend von Aachen und 
Köln sind sie vorgedrungen. Die Könige waren zu schwach, ihnen Wider¬ 
stand zu leisten; statt gegen sie zu Felde zu ziehen, erkauften sie den Frie¬ 
den. Nur der deutsche König Arnulph besiegte sie in einer großen Schlacht 
bei Löwen in den Niederlanden (891), so daß sie das Wiederkommen für 
längere Zeit vergaßen. 
Raubgieriger und blutdürstiger noch waren die Ungarn, die alljähr¬ 
lich auf schnellen Rossen aus den Ebenen au der Donau hervorbrachen, das 
ganze östliche und mittlere Deutschland durchzogen und Menschen und Vieh 
als Beute mit sich schleppten. Erst Kaiser Heinrich konnte Deutschland 
aus dieser Noth erretten.*) Derselbe mächtige Herrscher hat auch die Wen¬ 
den im Zaume gehalten, die nach der Völkerwanderung das Land zwischen 
Elbe und Oder besetzt hatten und ebenfalls Raubzüge über die Elbe unter¬ 
nahmen. Da hat nun Heinrich diesseit der Elbe, nördlich von der Stelle, 
wo jetzt Magdeburg liegt, aus einem Stück des Grenzlandes eine Mark 
begründet, hat einen tapfern Mann als Markgrafen eingesetzt, der an der 
Spitze einer Schaar von Kriegern die Grenze gegen den Feind beschützen 
sollte, und hat dadurch den ersten Grund zur Enistehung des preußischen 
Staates gelegt. Denn ein späterer Markgraf, Albrecht der Bär, hat 
diese Mark Nordsachsen zur Markgrafschaft Brandenburg erweitert, 
aus der denn allmälig der Preußische Staat hervorgegangen ist.**) 
*) S. 252. **) S. »37.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.