Full text: Handbuch der Vaterlandskunde

Stelle mit Baststreifen so, daß nur das Auge frei bleibt. Ist nun ein 
Trieb aus demselben hervorgewachsen, so wendet man demselben mehr und 
mehr Saft zu, indem man den Wildling oberhalb desselben abschneidet und 
die Wunde mit Harz bestreicht. Zur Vorsorge werden öfters an verschie¬ 
denen Stellen des Wildlings zwei Augen eingesetzt, und wenn dann beide trei¬ 
ben, so wird der schwächere Trieb abgeschnitten. Die Veredlung durch Augen 
wird namentlich auch bei Rosenstämmchen sehr häufig in Anwendung ge¬ 
bracht. — Nur noch die Bemerkung, daß man entweder im ersten Saft¬ 
trieb, noch vor Johannis, auf das treibende Auge, wobei das einge¬ 
setzte Auge sich noch im nemlichen Sommer entwickelt, oder aber, was 
noch mehr zu empfehlen ist, im zweiten Safttrieb, im Juli oder August 
aufs schlafende Auge, wobei das Auge erst im nächsten Frühjahr aus¬ 
treibt, okuliren kann. 
Die früher gewöhnlichste Veredlungsweise, welche sowohl bei Steinobst, 
als bei Kernobst, bei jungen Stämmchen, wie bei erwachsenen Bäumen an¬ 
wendbar ist, ist das Pfropfen, Pelzen oder Jmpten. Man nimmt diese 
Veredlungsart vor im Monat März oder April, zuerst bei Pfirsichen, 
Aprikosen und Kirschen, später bei Birnen und zuletzt bei Apfelbäumen. 
Wenn die Knospen sich entwickeln und das Weiße der Blütben zum Vor¬ 
schein kommt, so ist zum Pfropfen die beste Zeit. Man wählt dazu gerne 
trockenes Wetter. Die zum Pfropfen nöthigen Reiser werden meist einige 
Wochen vorher von gewählten Bäumen abgebrochen und bis zum Gebrauch 
in Erde eingeschlagen. Die Reiser wählt man von jungen, einjährigen 
Zweigen, am besten die gegen Mittag oder im Gipfel stehenden. 
Dabei verfährt man wie folgt: 
Man sägt das Stämmchen des Wildlings und bei eiuem größer» 
Baume die sämmtlichen Aeste desselben bis auf einige wenige quer durch, 
beschneidet die Wundfläche mit einem scharfen Messer, macht eine etwa 
i Zoll tiefe Spalte entweder durch die Breite des ganzen Stämmchens, 
oder nur bis iu die Mitte, hält den Spalt offen und setzt nun von oben 
das keilförmig zugeschnittene Edelreis so ein, daß wenn man den offenhal¬ 
tenden Keil aus der Spalte zieht, und die Spalte nun zuklappt, die Rinde des 
Edelreises und die des Wildlings genau zusammenvassen. Die Wunde oben 
und zu den Seiten bestreicht man mit Baumwachs. Da die Spalte nicht 
selten — namentlich wenn der Regen rc. in dieselbe eindringt - einen 
nachtbeiligen Einfluß zurückläßt, so setzt man die Edelreiser manchmal auch, 
ohne das Stämmchen rc. zu spalten, zwischen der Rinde und dem Holz des 
Wildlings ein. 
Selbstverständlich können alle diese Veredlungsarten nur zwischen Bäu¬ 
men und Sträuchern von gleicher oder doch nahe verwandter Art, also 
zwischen Aepfeln und Aepfeln, Birnen und Birnen rc., doch auch zwischen 
Zwetschgen und Pflaumen und Aprikosen; Aepfeln oder Birnen auf Quit¬ 
ten rc, nicht aber zwischen Kernobst und Steinobst in Anwendung gebracht 
werden, und wenn auch der Versuch' Aepfel auf Birnen und umgekehrt rc. 
manchmal gelingt, so halten hie Zweige hoch in der Regel nur einige Jahre
	        
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