302
jungen Kurprinzen. »Nun, lieber Derflinger, sprach der Kurfürst
zu ihm, »was denkt Er denn so nach?« Derflinger wurde anfänglich
stutzig, sprach aber bald ohne Hehl in seiner derben Gradheit: »In¬
dem ich mir so den Prinzen ansah, dachte ich in meinem Sinne:
Dein Großvater hat mich gehudelt, dein Vater hat mich gehudelt,
du wirst mich wohl ungehudelt lassen.« Der Kurfürst nahm die
Aeußerung nicht übel auf itnb mußte herzlich lachen.
Derflinger war rüstig bis iu3 höchste Alter und starb 1695 tu
seinem neunzigsten Jahre.
Ludwig Xi.V., Köllig von Frankreich.*)
(1648 —1715.)
Als Ludwig XIII. im Jahre 1643 starb, war sein Sohn und
Nachfolger, Ludwig XIV., erst 5 Jahre alt. Es wurde daher
eine Regentschaft nöthig. Diese übernahm die Königin-Wittwe, Anna
von Oesterreich, eine Tochter Philipps II. von Spanien. In
der That aber herrschte der staatskluge Kardinal Mazarin, der
auch die Erziehung des jungen Königs leitete. Der Kardinal ver¬
fuhr gegen den Adel und die hohen Beamten mit großer Härte und
Willkür, um dadurch alle Unterthanen zu fügsamen Werkzeugen des
königlichen Willens zu machen. Anfangs setzten die Großen dem
eigenmächtigen Minister nur geringen Widerstand entgegen, später
aber, als derselbe einige der beliebtesten Parlamentsräthe verhaften
ließ, kam der Unwille zu einem gewaltsamen Ausbruche. Vier
Jahre wurde Frankreich von einem blutigen Biirgerkriege zerrissen.
Der Adel unterlag, und Mazarin herrschte willkürlicher denn zuvor.
Frankreich war jetzt ruhig, und Mazarin genoß ungestört den
Besitz seiner Allgewalt. Wenn die Großen auch hinter seinem Rücken
murrten, so oft er sie im Vorzimmer Stunden lang warten ließ
oder sich in ihrer Gegenwart ankleidete, so wagte doch Niemand
gegen ihn das Geringste zu unternehmen. Es wäre nun offenbar
an dem Kardinal gewesen, dem Lande zu zeigen, daß er sich nur
deshalb so hartnäckig an die Gewalt angeklammert hätte, um wahr¬
haft nützlich sein zu können; aber davon war er weit entfernt. Für
die Bedürfnisse des Volkes, für Rechtspflege, Handel, Ackerbau und
Finanzen geschah gar nichts. Er beschäftigte sich nur allein damit,
wie er ein möglichst großes Vermögen aufhäufen könne. Dies ge¬
lang ihm zum Schaden des Landes nur zu gut; denn als er (1661)
starb, hinterließ er 44 Millionen Franken, die natürlich das Volk
hatte hergeben müssen. Die Ungerechtigkeit dieses Erwerbes kannte
er selbst so gut, daß er seinen Erben den Besitz durch eine List
sicherte. Er schenkte nämlich sein ganzes Vermögen dem König,
dieser schenkte es ihm zurück, und nun erst, da Niemand mehr fragen
*) Nach Sptch u. A.