Viertes B » ch.
(Vom Jahre 1273 bis zum Jahre 1517.)
1.
Geendigt nach langem verderblichem Streit
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
Und ein Richter war wieder auf Erden.
Schiller.
Damals mochte wohl mancher Fürst im deutschen Vaterlande denken:
„Wozu denn wieder ein König und Kaiser? Sind doch wir Fürsten selbst
Herren und brauchen keinen Höheren über uns, der unsere Macht beschränkt!"
Aber die deutschen Städte dachten anders; denn sie erfannten gar wohl,
daß die frische und freie Entwickelung des Bürgerthums durch den über-
müthigen Adel aufs Aeußerste bedroht sei, wenn nicht wieder ein König
dastünde, als treuer Pfleger des Rechts und der Ordnung und als strenger
Richter der zügellosen Gewalt. Ja wahrlich: ein gerechter König that itoti),
um das Vaterland durch starke Einigkeit zu retten, dessen Grund und Bo¬
den damals unter zweihundert Reichsstände, geistliche und weltliche, zersplit¬
tert war. Zu gleicher Zeit erkannte der Papst Gregor X., daß die römische
Hierarchie in dem Geschlecht des Tyrannen Karl von Anjou jetzt einen viel
gefährlicheren Feind zum Nachbar in Welschland hatte, als das von ihr
ausgetilgte Geschlecht der Hohenstaufen je gewesen war. So gebiert jedes
Unrecht sich selbst den Fluch. Gregor X. sah kein andres Mittel zur Ret¬
tung der römischen Kirche, als die Herstellung desselben deutschen Kaiser¬
thums, welches seine Vorfahren mit so ausgesuchten Künsten geschändet und
zertreten hatten. Darum ermahnte er die deutschen Fürsten dringend, einen
römischen König zu erwählen, und fügte hinzu: wenn sie's nicht thäten, so
würde er selbst dem Reich ein Oberhaupt geben. Da nahmen sich die geist¬
lichen Fürsten in Deutschland, und besonders der Erzbischof Werner von
Mainz, der Wahl eifrig an ; der letztere berief zu diesem Zweck im Septem¬
ber 1273 einen Reichstag nach Frankfurt am Main. Es war aber damals
durch lange Gewohnheit zum Rechte geworden, daß das Küren (d. i. die
Wahl) des Königs nur sieben Fürsten, drei geistlichen und vier weltlichen,
zustünde, welche davon auch die Kurfürsten (d. i. Wahlfürsten) hießen.
Diese waren die drei Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln (zugleich Erz¬
kanzler durch Deutschland, Arelat und Italien), — sodann der Pfalzgraf
bei Rhein (welcher zugleich des Reichs Erztruchseß war), der Markgraf von
Brandenburg (zugleich Erzkämmerer), der Herzog von Sachsen (zugleich
Erzmarschall), und der König von Böhmen (als Erzschenk). Und es war