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Erstes Buch. Zweiter Abschnitt.
in einen Hinterhalt. Wie nun der Morgen graute, rückte das römische
Heer in geschlossenen Reihen langsam die Höhen hernieder; die Teutonen
ihnen entgegen, stürmten jauchzend hinan. Da machen die Römer, wie
sestgewurzelt, plötzlich Halt, und lassen die Deutschen an Schilde und
Schwerter anrennen. In solcher Nähe, Stirn au Stirn, können diese mit
ihren gewaltigen Waffen nicht ausholen, und auf den glatten Abhängen
gleiten ste aus. Sv groß auch ihre Kampfwuth ist, sie müssen endlich doch
weichen; nun fallen ihnen die römischen Reiter aus dem Hinterhalt in den
Rücken, während Marius mit beit Seinigen sie Schritt für Schritt von den
Höhen tiefer ins Thal hinabdrängt; ihre Reihen sind gelichtet, die Ver¬
wirrung vollendet ihre Niederlage. Zu Tausenden sinken sie in ihr Blut,
nur Wenige entfliehen mit ihrem riesengroßen Herzog, dem Teutoboch. —
Die Weiber auf der Wagenburg wurden gefangen, und beschworen die
Römer, ihrer Keuschheit zu schonen; als ihnen dies nicht bewilligt ward,
erwürgten sie sich alle in der Nacht. Im Wald wurde auch Teutoboch ge¬
fangen und mit dem Besten von der Beute für den Triumphzug aufgespart,
alle übrige Beute den Göttern Roms als Dankopfer verbrannt.
Indessen waren die Kimbern durch die Tyroler Alpen hinab an die
Etsch gezogen, vor ihnen her der römische Feldherr Catulus, flüchtend, mit
seinem Heer. An beiden Ufern des Stromes, die er durch eine Brücke
verband/ verschanzte er sich und bot den Kimbern die Schlacht. Da rissen
diese, wie zum Spiel, die stärksten Bäume, mit Wurzeln und Erdreich dran,
aus, warfen sie in den Strom, mächtige Felsstücke dazu, und zertrümmerten
die Brücke. Catulus floh; sein Heer am jenseitigen Ufer hingegen hielt in
den Verschanzungen so tapferen Widerstand, daß die Kimbern, als sie es
endlich dennoch bezwangen, ihm um des Muthes willen freien Abzug gönn¬
ten. Darauf ergossen sich die Schaaren der Sieger über die üppigen
Fruchtfelder Welschlands, sonnten sich behaglich unter dem milderen Himmel
und tranken sorglos vom süßen welschen Wein. So vergingen ihnen in
Wohlleben der Herbst und der Winter, und der Frühling kam, aber ihre
Kriegsgesellen, die Teutonen, auf die sie warteten, kamen nicht; — statt
ihrer die Römer, stolz auf den Sieg und nach neuen lüstern. Der gewal-
tigeMarius, undCatulus, voll Ungeduld, dieSchmach derFlucht auszu¬
tilgen, hatten 52,000 Kriegsmänner gegen sie ins Feld geführt. Die Kim¬
bern, die von der Teutonen Untergang nichts wußten, schickten zu Marius
und verlangten abermals Land für sich und ihre Brüder. „Die haben schon
Land genug!" rief Marius lachend und ließ ihnen, als sie ihm Rache
drohten, die gefangenen Heeresfürsten der Teutonen in Ketten zur Schau
heranführcn. Als die Kunde davon ins Lager der Kimbern kam, schwoll
jedes Herz von Rache, und Bojorir, der Herzog, der einst im Grimm einen
gefangenen Römerfeldherrn erschlagen, weil dieser die Römer als unüber¬
windlich gepriesen, ritt vor's Lager des Marius und rief um Ort und Zeit
der Schlacht hinan. „Uebermorgen, auf den raudischen Feldern bei Ver-
cellae!" (dem heutigen Vercelli) bekam er zur Antwort.
Also geschaht. Am Morgen des dritten Tages (es war am 30. Juli
des Jahres 101 vor Christi Geburt) standen Kimbern und Römer einander
gegenüber, die Kimbern im ungeheuren Viereck zusammengedrängt; die Vor¬
fechter in den ersten Reihen, durch hohe Schilde gedeckt, hatten sich mit
Ketten aneinandergeschlosfen, um gemeinsam zu siegen oder zu fallen. Ihre
Reiter, 15000 an der Zahl, glichen durch Helmschmuck und Waffen riesi¬
gen Greifen mit blitzenden eisernen Fängen. Diese Reiter begannen im