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Zweites Buch. Erster Abschnitt.
sollten sie nicht mehr halten! Da mochten sich die Sachsen wohl besinnen,
ob sie sich nach mehr als 30 Jahren des Freiheitskrieges auf solche Bedin¬
gungen einigen sollten. Aber die Adeligen unter ihnen wollten endlich
wieder in den ruhigen Besitz ihrer großen Güter kommen, und erwogen,
daß die bloß gemeinen Freien das Meiste zu verlieren hätten; so brachten
sie es dahin, daß der Friede geschlossen ward. Da wurde das Sachsenland
in Bisthümer und Grafschaften getheilt und auch der Zehnte an die Kirche
geboten. Dennoch scheute der mächtige Kaiser noch immer den Freiheitstrotz
der Sachsen und verpflanzte im nächsten Jahr eine große Menge des Volks
(ihrer 10000, Männer, Weiber und Kinder,) vom heimathlichen Boden nach
Flandern und ins Frankenland am Rhein.
Nun war es seine Absicht, auch die slavischen Völker zu unterwerfen,
zu Christen zu machen, und ihre Länder, welche ja in alten Zeiten von
Deutschen bewohnt worden waren, dem deutschen Reiche einzuverleiben.
Schon lange hatte er mit den slavischen Völkern gekämpft, welche die Deut¬
schen haßten und keine Gemeinschaft mit ihnen haben wollten, ja, sie wohl
gar gern zinsbar gemacht hätten. Nur die Ob otriten hielten zu Karl und
waren dafür bei allen andern Slaven übel angesehen; Karl aber hatte
ihnen, weil sie ihm gegen die Sachsen treu beigestanden, das Land über der
Elbe gegeben, woraus er die Sachsen versetzt, — das heißt heut zu Tage
Mecklenburg. Die Milzen hatte er schon im Jahre 789 zur Huldigung ge¬
bracht, und bändigte sie später (812) abermals. Die Czechen konnte er
nicht überwältigen; die bargen sich vor ihm in den böhmischen Wäldern.
In den Jahren805 und 806 besiegte Karl, des Kaisers Sohn, die Sorben
(zwischen der Saale und der Elbe) und zwang sie, seinem Vater zu hul¬
digen und Geißeln zu geben; da wurden wider sie zwei Grenzburgen ge¬
baut, aus welchen nachmals die Städte Halle und Magdeburg entstanden
sind, und Karl schuf die sorbische Mark.
Sein Hauptaugenmerk mußte er jedoch auf den Norden richten, von
woher dem deutschen Reiche durch verwegene Seefahrer aus deutschem Blut
Gefahr drohte. Das waren die Dänen (welche auch „Normannen" hießen).
Die hatten es immerdar mit den Sachsen gehalten und trotzten jetzt den
Franken als Feinde. König Gottfried, ein gewaltiger Held, führte sie zu
Abenteuern und vermaß sich gar: er wolle nach Aachen kommen und dort
mit dem Schwert den Kaiser aus seiner Pfalz herauspochen. Als aber
Karl, des Kaisers Sohn, ihm (808) entgegen gegangen war und dessen Bun¬
desgenossen geschlagen hatte, zog sich der Dänenkönig zurück in sein Land,
und warf an dem nördlichen User des Eiderflusses, von der Nordsee bis zur
Ostsee hin, einen Grenzwall auf, der hieß das Danewirk; Karl aber ließ ihm
eine Trotzburg hinbauen. Nicht lange darnach sprangen jedoch die kecken
Seefahrer plötzlich bei den Friesen wieder ans Land, schlugen sie und er¬
zwangen sich Tribut. Da zog Karl gegen sie ins Feld und kam bis an die
Weser; dort empfing er die Nachricht: der Dänenkönig sei todt; einer aus
seinem Geleit hatte ihn erschlagen. Von da an (811) hielten die kriegs¬
lustigen Männer des Nordens mit den Franken Frieden, doch nur so lange
als Karl lebte.
Am Abend seiner Tage saß nun der Kaiser endlich in Ruhe in seiner
schönen Pfalz zu Aachen, konnte an seinem Werke vollenden, was noch der
Vollendung ermangelte, und konnte der Fülle seiner Herrlichkeit genießen.
Die höchste Würde der Christenheit hatte er auch mit der höchsten Pracht
umgeben und sich einen Hof geschaffen, wie jener der alten Kaiser gewesen