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Es blieb demnächst Wolfenbüttel in einer eigentümlichen
Composition, wie sie noch nicht in irgend einer früheren Theilung
gewesen war, — unb zwar, wie schon beiläufig erwähnt ist, — fast
schon ganz in der des heutigen Herzogthums Braunschweig.
Es blieb ferner Georg und sein Stamm in Calenberg, der
zunächst die Gebiete der ansgestorbenen Linien mit dem seinigen
vereinigte, bis dann endlich nach einem zweihundertjährigen Gange
durch die wechselvollsten Ereignisse auf diese Grundlage unser heu¬
tiges Vaterland, das Königreich Hannover, sich aufbaute.
Ist daher für dieses, wie der erste Blick in das Buch der Ge¬
schichte zeigt, Calenberg seit 1635 der wahre Mittel- unb Aus¬
gangspunkt; sind es nicht minder dazu die persönlichen Verhältnisse,
Thaten und Schicksale des Herrschers, die dem zur Zeit von ihm
heherrschten Calenberg jene wichtige politische Stellung und Be-
stimmung geben konnten, so muß die erste Anforderung an ein
deutliches Gemälde eines solchen Entwicklungsganges sein, daß es
den wahren Mittelpunkt, um den sich von nun an alles reiht, auch
als solchen festhalte unb darstelle, und nicht mehr, wie früher, alles
als getrennte Theile, die oft genug nichts von einander wissen
wollten, dem Leser vorführe. Nicht minder aber ist es auch für
unsere späteren Generationen Pflicht der Dankbarkeit, sich des Für¬
sten und seiner Thaten wohl zu erinnern, der ganz besonders die
allernächste Ursache war, daß wir zu dem werden konnten, was wir
heutiges Tages wirklich geworden sind.
Herzog Georg, sechster Sohn des Herzogs Wilhelm des Jün¬
gern von Lüneburg, war zu Celle den 17. Februar 1582 geboren.
Bereits in seinem neunten Jahre 1591 war er auf die Universität
Jena geschickt, wo er bis 1596 blieb; dann brachte er seine Zeit
aus Reisen zu, während zu Hause seine älteren, schon volljährigen
Brüder mittlerweile die Regierung durch Uebertragung derselben
auf den Aeltesten, Ernst, geordnet hatten.
Im Jahre 1604 erklärte sich Georg für einen bestimmten Be¬
ruf; es war dies, wie fast bei allen Fürstensöhnen, die nicht zur
Regierung oder für eine Versorgung durch die Kirche bestimmt
waren, die kriegerische Laufbahn. Als Schule suchte er hiezu die
Niederlande auf, wo in den letzten Bewegungen des dortigen Be¬
freiungskrieges sich Prinz Moritz von Nassau und Ambrosio Spi-
nola gegenüber standen. Er lernte hier als Freiwilliger, wo er