andern Grunde habe ich die Geschichte bis zu unfern Tagen
geführt: es ist und bleibt das Ziel alles Geschichtsunterrichtes,
die Gegenwart zu verstehen, in die Vergangenheit hinein
die Fäden zu verfolgen, welche das Gewebe unserer Zeit wirken;
wer die Geschichte etwa mit dem Jahr 1789 oder 1815 ab¬
bricht, der schneidet gerade dasjenige Stück heraus, in welchem
die Schlüssel zum Verständniß der Gegenwart liegen.
In der zweiten Auflage sind manche Berichtigungen und
Aenderungen vorgenommen und einige Zusätze gemacht worden;
zu den letzteren gehört eine zusammenhängende Tafel der
Kaiser, der brandenburgisch-preuß. Kurfürsten und Könige ic.
Für diejenigen, welche einzelne Theile nicht ausführlich genug
behandelt glauben, bemerke ich, daß ich den Stoff habe verein-
fachen wollen; ich habe mich im allgemeinen auf die Geschichte
der Germanen auf dem heimischen Boden unseres Deutschlands
beschränkt und deswegen z. B. die Geschichte der germanischen
Staaten, welche sich im Anfange des Mittelalters in Italien,
Spanien, Afrika gebildet haben, nur kurz berührt; sie spielt in
dunkler Zeit aus ungeheurem Räume, reicht in die Universalge-
schichte hinein und fordert eine politische Fernsicht, wie man sie nur
bei den gereifteren Schülern der obern Klassen voraussetzen darf.
Köln, 12. Januar 1868 und im März 1870.
Aus dem Vorwort zur dritten und fünften Auflage.
„So möge der lang geträumte schöne Traum der vollen
deutschen Einheit eines hellen Morgens verwirklicht vor unsern
Augen liegen", so schrieben wir in dem Vorworte zur ersten
Auflage im Anfange des Jahres 1868. Wie bald ist dieser
Wunsch in Erfüllung gegangen! Nach einem furchtbaren Ge-
Witter, das sich über Frankreich entlud, ist uns in Deutschland
dieser helle Morgen aufgeleuchtet: ein Kaiserthum ist wieder
erstanden, nicht das elende Kaiserthum der letzten Jahrhunderte,
nicht das durch Wahlcapitulationen verstümmelte Kaiser-
thum, sondern ein in dem mächtigen Hause der Hohenzollern
erbliches Kaiserthum, nicht das in Italien seine Kraft er¬
schöpfende , sondern ein alle seine Mittel und Kräfte auf sich
selber richtendes, ein wahrhaft deutsches, ein National-
kaiserthum, nicht das alte Kaiserthum mit seiner bunt-
scheckigen und ohnmächtigen Reichsarmee, sondern ein im Kriegs¬
falle die gesummten, einheitlich bewaffneten und einheitlich aus-
gebildeten Streitkräfte Deutschlands zu einer furchtbaren Macht