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In den Fußstapfen des berühmten Copernicus ging Johann Keplers
weiter. Er wurde 1571 in der kleinen schwäbischen Stadt Weil geboren. In
dem schwächlichen Körper des Knaben entwickelte sich frühzeitig ein talent¬
voller Geist und ein frommes Herz. Kepler hatte sich für den Dienst der
Kirche vorbereitet, wurde aber bald für ein Lehramt an dem Gymnasium in
Gratz bestimmt. Hier wurde er auf ein Gebiet des Unterrichts geführt, das
ihn zu einem der größten Männer aller Zeit gemacht hat. Kepler entdeckte
die Gesetze der Bewegung der Planeten um die Sonne und gab damit der
Wissenschaft der Astronomie eine sichere Grundlage. Der fromme Mann hat
in seinem Leben viel Drangsal erfahren und starb in der traurigen Zeit des
dreißigjährigen Krieges, 1630, in Dürftigkeit. Die Schlußworte seines letzten
Briefes an einen Freund waren: „Gott erbarme sich über mein unglückliches
Vaterland; bete mit mir brünstig für die Kirche und für mich."
Die astronomischen Entdeckungen ließen auch merken, daß man in der
Zeitrechnung seit Jahrhunderten einen Jrrthum begangen habe, weil man das
Jahr um fast zwölf Minuten zu lang gerechnet hatte, woraus sich mit der
Zeit eine Summe von zehn Tagen ergeben hatte. Papst Gregor XIII. ließ
den bisherigen julianischeu Kalender verbessern. Der neue Kalender, der
gregorianische genannt, wurde von den Protestanten erst im Jahr 1700
angenommen.
Die deutsche Poesie des 16. Jahrhunderts ging unter den innern und
äußern Kämpfen dieser Zeit bedeutend zurück; nur das Kirchenlied der
evangelischen Kirche erwachte und wuchs zu herrlicher Blüthe heran.
Luther ist als der Begründer desselben anzusehen; nicht minder groß war sein
Einfluß auf die deutsche Prosa, die auch durch den in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts geborenen Di\ der Rechte Johann Fi schart sehr geför¬
dert wurde. Das deutsche Volkslied erreichte zur Zeit der Reformation
seine Blüthe. In der Zeit des dreißigjährigen Krieges entstanden zwar noch
manche schöne Volkslieder; aber das rohe Soldatenlied dieser traurigen Zeit
brachte das weltliche Volkslied nach und nach in gänzlichen Verfall.
Die deutsche Malerei hat aus dieser Zeit Albrecht Dürer und
Lukas Kranach als bedeutende Künstler aufzuweisen.
Albrecht Dürer wurde 1470 zu Nürnberg geboren, wo sein Vater
ein reicher Goldschmied war. Er erlernte zuerst die Kunst seines Vaters, aber
die Liebe zur Malerei hieß ihn bald die Goldschmiedekunst mit der der Malerei
vertauschen. Dürer's häusliche Verhältnisse waren trauriger Art, da er be¬
sonders viel von seiner geizigen, bösartigen Frau zu leiden hatte. Er selbst
war im Umgänge mit Freunden und Bekannten einer der liebenswürdigsten
Menschen; noch jetzt gewinnt in seinem Bilde sein edles, frommes, von lan¬
gen, leichten, sanft gekräuselten Haaren umflossenes Antlitz alle Herzen und
zeugt von der Milde und Reinheit des Geistes, der in Dürer lebte. Dürer
war der Stolz seiner Vaterstadt, die ihn zum Mitgliede ihres Rathes erwählte.
Die bedeutendsten Männer seiner Zeit suchten seine Bekanntschaft; Kaiser und
O^Außer Copernicus und Kepler haben Tycho de Brahe, Galilei, New¬
ton, L.orricelli, Otto von Guericke sich auf dem Gebiete der Naturwissenschaf¬
ten berühmt gemacht.