K. 76. Die Versuche zur Einigung Deutschlands. 127
die Rückkehr zu den alten Zuständen und die Wieder-Erstarkung der Regierung
weniger auffallend vor sich. Die Gemüther wurden aber erregt durch den Streit
der Regierung mit dem Erzbischof von Freiburg und mit Rom über die Rechte
der katholischen Kirche. Der junge Großherzog Friedrich von Baden heirathete
im September 1856 die Prinzessin Louise von Preußen, wodurch wohl die
Beziehungen zwischen beiden Ländern noch fester geknüpft sind.
§. 76. Die Versuche zur Einigung Deutschlands.
ES konnte nicht auSbleiben, daß mit den neuen Veränderungen, die i«
Frankreich vorgingen, und mit den Freiheitsbestrebungen der Deutschen im
Jahre 1848 auch das alte Verlangen nach einem einigen Deutschland, wie
es 1813 verheißen, nach 1815 niedergehalten, aber nicht vergessen war, wieder
auf'S Neue stark erwachte, und so war die Bitte um ein allgemein deutsches
Parlament in fast allen Bittschriften enthalte» . die 1848 den deutschen Für¬
sten von ihren Völkern vorgelegt wurden. Aber man suchte sich auch gleich
selbst zu helfen, indem noch im März 1648 einige freisinnige deutsche Män¬
ner aus den verschiedenen Ländern zu dem sogenannten Vorparlament in
Frankfurt am Main zusammentraten, wo die Souveränität des Volkes als
Grundsatz aufgestellt und die Zusammenbcrufung einer allgemeinen deutschen
National-Versammlung, die aus freien Wahlen des ganzen Volkes hervor¬
gehen sollte, beschlossen wurde. Ein Ausschuß von 50 Männern blieb in
Frankfurt zurück, um die Ausführung dieses Beschlusses zu leiten und mit
den Fürsten darüber zu verhandeln. Diese Männer waren damals in der
Zeit der allgemeinen Bestürzung und Verwirrung in Deutschland sehr ein¬
flußreich. Am 18. Mai trat die deutsche National-Versammlung
in der Paulskirche zu Frankfurt am Main zusammen. Ihr Präsident war
Heinrich von Gageru und sie hatte viele bedeutende Mitglieder, so daß sie
damals sehr viel galt. Ilm in Deutschland wieder ein einheitliches Ober¬
haupt zu haben, wählte die Versammlung am 29. Juni den östreichischen
Erzherzog Johann zum deutschen Reichsverweser. Ihm übertrug
der bisherige Bundestag förmlich seine Macht und Befugnisse und löste sich
auf. Man berieth nun im Parlanient zu Frankfurt eine allgemeine deutsche
Verfassung, und setzte auch die Grundrechte derselben fest, die sofort in eini¬
gen Staaten eingeführt wurden. Aber durch de» zustimmenden Beschluß des
Parlaments über den Waffenstillstand, den Preußen damals am 26. August
zu Malmö mit Dänemark abgeschlossen hatte in Bezug auf Schleswig - Hol¬
stein, entstand Unzufriedenheit, und am 18. September machten die Republi¬
kaner in Frankfurt einen Aufruhr, der niedergekämpft wurde, wobei aber
die edlen Abgeordneten Auerswald und Lichnowsky den Tod durch Mörder¬
hand fanden. — Die Schwierigkeit bei der Einigung Deutschlands bestand
nun besonders in dem Verhältniß zu Ocstreich, welches mehr außerdeutsche,
als deutsche Länder besitzt, und nun doch mit ollen feinen Besitzungen, auch
mit Ungarn und Italien, zu Deutschland hinzutreten wollte. So hätte
Ocstreich und feine zum großen Theil ausländische Macht Alles bestimmt in
Deutschland, und kein anderer deutscher Einfluß, namentlich der Preußens
nicht, hätte sich dem gegenüber geltend machen können. So schlugen denn
die edelsten deutschen Männer einen enger» deutschen Bundesstaat mit Preu¬
ßen an der Spitze vor, der in einem weitern loser» Bunde mit Ocstreich
stehen sollte. Hierfür war namentlich auch Herr von Gagern, den der
Reichsverwcscr im Dezember zu seinem ersten Minister machte. Simson
auö Königsberg ward darauf zum Präsidenten der Frankfurter National-