Full text: Kleine Weltgeschichte oder Geschichten aus der Geschichte

§. 16. Der letzte König von Rom. 31 
etwas beginnst, es sei, was es wolle, rufe die Götter um Beistand 
an, sonst wird es dir nimmer gelingen. — Hast du dich, oder hat 
sich das ganze Volk versündigt, so lassen die heiligen Götter alles 
mißlingen, schicken Krieg, Pest u. dgl. und werden nicht anders ver¬ 
söhnt, als durch Demüthigung und Buße und durch blutige Opfer 
geschlachteter Thiere. Tänze und Schauspiele schicken sich für keinen 
ehrlichen Römer (Heiden), und die Wohlgefallen daran haben, sind 
den Göttern ein Gräuel I" 
Und welche Frucht schafften diese Gesetze? In den ersten 500 
Jahren schied sich kein Mann von seinem Weibe. Und als einst ein 
römischer Gesandter bei einem Könige von Aegypten speiste und dieser 
ihn fragte: „Was ist das Löblichste in Rom?" konnte jener ant¬ 
worten: „Die Römer fürchten die Götter, gehorchen der Obrigkeit 
und strafen die Laster!" 
H. 16. Der letzte König von Rom. . 
' Der sechste römische König hieß Servius Tullius und hatte 
zwei Töchter, eine gute und eine böse. Nun waren auch noch von 
einem frühem Könige zwei Prinzen da. Tarquinius, ein sehr böser 
und Arnus, ein guter. Nach des Königs Wunsch heirathete der 
Tarqüinius die gute, — und sein guter Bruder Arnus die böse 
Prinzessin. Das gab aber eitel Zwietracht und Herzleid in den un¬ 
gleichen Ehen und endete damit, daß das gute Paar von dem bösen 
heimlich umgebracht wurde, und daß nun der böse Tarquinius die 
eben so schändliche Tullia zum Weibe nahm. Damit war er noch 
nicht zufrieden. Er wollte auch noch König werden, und — er ist's 
geworden. 
Einmal in der Erntezeit ließ er seine Anhänger auf dem Rath¬ 
hause zusammenkommen und setzte sich auf den königlichen Stuhl. 
Der alte Servius erfuhr das, lief nach dem Rathhause, und wollte 
zornig den Schwiegersohn am Mantel vom Throne reißen. Dieser 
ergriff ihn aber wüthend bei der Brust, und warf den alten, schwachen 
Schwiegervater Hals über Kopf die hohe Rathhaustreppe hin¬ 
unter. Doch der Alte lebte noch und wollte nach Hause wanken. 
Der böse Schwiegersohn schickte ihm aber Mörder nach, die ihn in 
einer engen Straße erstachen. Tarquinius wurde nun mit lauter 
Freude von seinen Genossen zum Könige ausgerufen. Seine Frau 
erfuhr es, ließ anspannen, und wollte eilig nach dem Rathhause fah¬ 
ren, um ihren Mann als König zu begrüßen. Der Kutscher fuhr 
zu und kam in die enge Straße, wo der blutige Leichnam des Königs 
lag. Da bäumten sich die Pferde und der Kutscher wollte zurück,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.