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Dritter Zeitraum. II. Abschnitt.
folger Richard's, denn auf Alphons wurde nicht Rücksicht genommen,
einen kräftigen Mann wählten, welcher die fürstliche Wegelagerci nieder¬
drückte und den Gesetzen wieder Ansehen verschaffte. Mit diesem,
Rudolph von Habsburg, beginnt die zweite Hälfte des Mittelalters.
§. 2. Die Kreuzzüge. Bereits bei der Geschichte Con¬
sta ntin's des Großen wurde bemerkt, dass die europäischen Christen
zuweilen Wallfahrten nach Palästina anstellten, um das heilige Grab
zu besuchen. So lange die Araber (seit 637) Herren des Landes und
der Stadt waren, welche sie ebenfalls heilig achteten, wurden die from¬
men Pilger nicht gehindert. Sobald aber die Scldschuken, ein
türkischer Stamm, die Herrschaft Westasiens an sich gerissen hatten,
geriethen nicht nur die fronunen Pilger in viele Gefahren, sondern auch
die in Palästina und Syrien wohnenden Christen wurden ganz un¬
menschlich unterdrückt. Traurige Nachrichten von diesen Grausamkeiten
erklangen mehrere Male bis in das Abendland herein. Tiefes Mitleid
wurde rege, und der Wunsch, das heilige Land den Türken wieder zu
entreißen, reifte endlich zur That, als Augenzeugen, besonders der,
mit angeblich vom Himmel gefallenen Briefen ausgerüstete Einsiedler,
Peter von Amiens (1093), von dem Elende der Christen im heili¬
gen Lande die rührendsten Vorstellungen machte. Diese Schilderung
stimmte in den (1093) zu Clermont ixnb Piacenza gehaltenen Kirchenver-
sammlungcn sowohl den Papst, als auch die ganze europäische Christen¬
heit zu dem Entschlüsse, den unglücklichen Glaubensgenossen zu Hilfe
zu eilen, und die Ungläubigen von der heiligen Stätte zu vertreiben.
Alle, welche an diesen Zügen Theil nehmen wollten, bezeichneten sich
mit rothen Kreuzen auf den Schultern (1093); daher nannte man sie
Kreuzfahrer und jene Züge die Kreuzzüge. Diese Kreuzzüge
hatten viele Aehnlichkeit mit der großen Völkerwanderung. Sie währ¬
ten 200 Jahre und führten gegen 7 Millionen Menschen nach Asien,
von denen wohl kaum der zehnte Theil zurückkehrte. Die Christen
wurden um so mehr zur Theilnahme an diesen Zügen angercizt, weil
der Bauer durch dieselbe seine Freiheit, der Bösewicht Vergebung seiner
Verbrechen erringen konnte. Viele zogen in frommer Begeisterung vor¬
aus, indem sie sich theils an Peter, theils an Walter von Habe¬
nichts anschlossen. Die meisten derselben kamen aber um, denn sie
hatten in der Regel weder Lebensmittel noch Waffen, und irrten ohne
Wegweiser umher. Viele erlaubten sich gegen die Juden die unerhör¬
testen Grausamkeiten. Doch kam zuletzt noch ein wohlgeordneter Zug zu
Stande, welcher unter der Anführung des Gottfried von Bouillon
am 13. August 1096 aufbrach. Viele Fürsten und Edle nahmen an
dem Zuge Theil, unter ihnen Balduin von Flandern, Raimund
von Toulouse, Robert von der Normandie, Stephan von
Blois, Fürst Boemund von Tarent, Tancred, der Vetter dessel¬
ben, der edle Walter vom Thurm zu Limoges mit seinem Löwen. Der