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Dritter Zeitraum. II. Abschnitt.
nicht die gehoffte Aufnahme. Durch sein Verhalten gegen die Kreuz¬
fahrer entstanden eine Menge Zwistigkeiten, Verlegenheiten und Gefah¬
ren für Byzanz, die noch nicht beig?legt waren, als er starb. Sein
Sohn Johannes oder Kalojohannes (1118—1143) übertraf
noch den Vater in allein Guten, und war rein von dessen Sünden. Er
sähe sich während seiner Regierung nie in die traurige Nothwendigkeit
versetzt, Empörungen zu unterdrücken, ja selbst die Todesstrafe brauchte
er nicht zu verhangen. Er verachtete und mäßigte den übertriebenen
Prunk des Hofes und führte ohne tyrannische Strenge eine sehr sicht¬
bare Reform im öffentlichen und Privatleben der Hauptstadt durch.
Seine häufigen Feldzüge lassen sich durch die Nothwendigkeit rechtferti¬
gen, die Türken vom Hellespont und Bosporus zurückzudrängen. Sieg¬
reich drang er inehrmals bis Antiochia und Aleppo vor, beschränkte den
Sultan von Jkonium auf seine Hauptstadt, setzte selbst die abendländi¬
schen Ritter in den Schlachten des heiligen Krieges durch seine Tapfer¬
keit in Erstaunen, ja er hoffte bereits, die alten Grenzen des Reichs
wieder herzustellen, als ein Unglücksfall auf der Jagd dem verdienst¬
vollen Leben des größten und besten der Komnenen ein Ende machte.
Ihm folgte Manuel (1143 —1180), der wohl des Vaters kriegeri¬
schen Muth, aber nicht dessen übrige Tugenden geerbt hatte. Er kämpfte
bald im Taurus, bald in Ungarn, bald an den Küsten Italiens und
Aegyptens, bald in den Meeren von Sicilien und Griechenland und
erhob dadurch das griechische Kaiserthum zu einer achtunggebietenden
Macht für das Morgen - und Abendland. In des Orients Seide und
Purpur erzogen und oft schwelgend, besaß er das eiserne Herz des Sol¬
daten, und seine Kraft und Uebung im Gebrauche der Waffen fand nicht
leicht seines Gleichen. Doch fehlten ihm Geist und Klugheit des Feld¬
herrn, wiewohl die Lateiner das Misslingen des zweiten Kreuzzuges
seiner Treulosigkeit zuschrciben, und seine vielen Siege hatten sohin keine
bleibende Folge für das Reich. Alerius 11. (1180 —1183) war
unmündig, und dieser Umstand eröffnete den Kabalen wieder Thür und
Thor zu dem Palafte des Kaisers; die Provinzen wurden vergessen,
und in der Hauptstadt tobte Aufruhr und Bürgerkrieg. Ein Jahrhun¬
dert des Friedens und der Ordnung ging in der Schwäche und den
Lastern weniger Monate unter. Dadurch ward Andronikos, ein
Enkel Alerius 1., dessen Leben bisher eine Kette der wechselndsten Aben¬
teuer bildete, der durch Tapferkeit und Tollkühnheit, wie durch Schwel¬
gerei und Lasterhaftigkeit gleich ausgezeichnet war, ermuntert, die Zügel
des Reichs zu ergreifen. „Er war Prinz und Glücksritter, tapfer und
niederträchtig, schlau und treulos; er spielte in seinem Leben fast alle
Rollen, erfuhr alle Abwechselungen des menschlichen Lebens und lernte
alle Verhältnisse desselben von dem Loose des niedrigsten Verbrechers
und ärmsten Bettlers an bis zu dem Geschicke des mächtigen Herrschers
auf glänzendem Throne aus eigner Erfahrung kennen." Zum Reichs-