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Kraft auf den Sohn übergegangen zu sein. Was jener Großes
begonnen hatte, setzte dieser herrlich fort. Unmöglich aber konnte
Otto ganz in die Spuren seines Vaters treten; denn dieser
war kaum etwas anderes, als Herzog von Sachsen gewesen.
Der königliche Name war bei ihm mehr ein äußerlicher Schmuck,
als eine bedeutende Vermehrung seiner Macht gewesen. Otto
aber konnte sich den Herzogen nicht wieder gleich stellen, die
sich bei seiner Krönung so tief unter ihn gestellt hatten. Da¬
durch wurde die Eifersucht der Großen rege. Sie betrachteten
die Krone als ein Geschenk, das sie willkürlich zu vergeben hätten,
und wollten den noch immer als ihres Gleichen ansehen, wel¬
chem sie von ihnen war überreicht worden. Dazu kam die alte
Abneigung der deutschen Volkstämme gegen einander, unter
denen besonders die Franken cs schmerzlich fühlten, daß der
Königsthron bei den von ihnen überwundenen Sachsen aufge¬
schlagen war. Ter Geist der Zwietracht und Empörung regte
sich überall. Wir sehen deshalb Otto, wie einst Karl den
Großen, fast die ganze Zeit seiner Regierung hindurch auf dem
Schlachtfelde. Ueberall war er siegreich und schmetterte seine
Feinde zu Boden., Er glich einem Löwen nicht nur an Kraft,
sondern auch an Edelmuth; denn großmüthig verzieh er stets
dem Feinde, der seine Gnade anflehete, und suchte ihn oft sogar
durch Wohlthaten sich zu verbinden.
Schwere Kämpfe hatte Otto gegen seine eigenen Verwandten
zu führen, die sich wiederholt gegen ihn auflehnten. Sein jün¬
gerer Bruder Heinrich, welcher nähere Ansprüche auf den Thron
zu haben glaubte, faßte zweimal nacheinander den boshaften
Plan, seinen königlichen Bruder zu stürzen; jedoch beide Male
scheiterte er. Statt aber nachher seinem Bruder für die gro߬
müthige Verzeihung dankbar zu sein, trat er sogar einer Ver¬
schwörung bei, die nichts Geringeres, als die Ermordung Otto's,
zur Absicht hatte. Allein sie wurde entdeckt, die Verschworenen
hingerichtet; nur Heinrich entkam. Als nun Otto das Weih¬
nachtsfest in Quedlinburg feierte und der nächtlichen Andacht