Mittelalterliche Zustände. . 153
Sammlung von kirchlichen Gesetzen und Rechtssprüchen, die, angeblich den vier
ersten Jahrhunderten angehörend, großentheils aus dem 9. Jahrhundert stammen,
und alle gesetzgebende und richterliche Kirchengewalt dem Papste beilegen. 2) Durch
die Zunahme des M ö n ch s w e se n s und der geistlichen Orden und Kloster,
und 3) durch die mittelalterliche Gottesgelahrtheit, Scholastik genannt.
tz. 244. Das Mönchswesen nahm seine Entstehung im Morgenland, wo
von jeher ein beschauliches, der Betrachtung göttlicher Dinge zugewandtes Einsied¬
lerleben für verdienstlicher galt als thatkräftiges Handeln. Dieser Beruf wurde all¬
mählich von so Vielen gewählt, daß schon am Ende des dritten Jahrhunderts der
Aegypter Antonius, der seine reichen Güter von sich geworfen und die Wüste zu
seinem Aufenthalt erwählt hatte, die bis dahin zerstreut lebenden Einsiedler
(Monachi, Mönche) zu einem gemeinschaftlichen Leben unter seiner Aussicht um
sich sammelte, und sein Schüler Pachomius sie in eingehegten Plätzen oder
abgeschlossenenGebäuden (monastcria, co6nobia claustra, daher Klöster) nach
einer geregelten Ordnung zu leben gewöhnte. Bald verbreitete sich das Mönchswe¬
sen nach dem Abendlande. Im 6. Jahrhunderte gründete Benediktvon Nur¬
sia auf dem Monte Casino in Unteritalien das erste Kloster mit einer bestimm- r>29-
len Regel über Kleivung, Lebensweise und geistliche Hebungen für sämmtliche
Glieder, und wurde somit der Gründer des weit verbreiteten Benediktineror¬
dens, der rasch in allen Ländern Eingang fand und viele Klostergebäude anlegte.
Diese, meistens in schöner Wildniß erbauten Klöster, deren Bewohner das dreifache
Gelübde der Keuschheit (ehelosen Standes), der persönlichen Ar mut h und des
Gehorsams ablegen mußten, waren in den Jahrhunderten der Barbarei und Ge¬
setzlosigkeit eine Wohlthat für die Menschen. Die Mönche schufen Wälder und Hai¬
den in blühendes Ackerland um; sie gewährten dem Verfolgten und Bedrängten ein
schützendes Obdach (Asyl); sie veredelten die rohen Gemüther durch Verkündigung
des Evangeliums; sie legten durch ihre Schulanstalten in die Herzen der Jugend
den Keim der Sittigung und Bildung; sie bewahrten die Reste der alten Literatur
und Wissenschaft vor gänzlichem Untergange. Viele Benediktinerklöfter wurden die
Pflanzschulen der Bildung, der Künste und Wissenschaften, so St. Gallen, Fulda,
Reichenau, Corvey (in Westfalen) u. a. nt. — Als der Benediktinerorven
erschlaffte, schied sich im 10. Jahrhundert das Kloster Clugny in Burgundien
aus und führte strengere Ordensregeln ein. Im 12. Jahrhundert zahlte die Brü¬
derschaft der Cluniacenser über 2000 Klöster. Aber auch dieser Orden genügte
den strengen Anforderungen des Mittelalters gegen die Lockungen der Sünde unv die
Verführungen des Fleisches auf die Dauer nicht, weshalb sich am Ende des Ilten
Jahrhunderts der C i st e r z i e n s e r - O r d e n und einige Jahrzehnte später der P r ä -
monstratenser-Orden aufthaten, jener in Burgund (C i t e a u r), dieser in
einer waldigen Gegend unweit Laon (Premoutre). Am weitesten ging in der
Entsagung der um 1084 gegründete Orden der Karth ä user, der mit einem Ein¬
siedler-Kloster (Karthusia, Chartreuse) in einem rauhen Thal bei Grenoble begann.
Ein abgeschlossenes, schweigsames Zellenleben, spärliche und' geringe Nahrung, ein
härenes Büßergewand, Geißelungen und strenge Andachtsübungen wurden jedem
Gliede dieses Ordens zur Pflicht gemacht.
§. 245. Besonders folgenreich war die Gründung der sogenannten Bettel- cê'^und
Orden im 13. Jahrhundert. Franz v on Assisi (ch 1226),, der Sohn eines
reichen Kaufmanns, entsagte allen seinen Gütern, hüllte sich in Lumpen und zog calu"
bettelnd und Buße predigend durch die Welt. Sein Feuereifer verschaffte ihm An¬
hänger, die gleich ihm Geld und Gut von sich warfen, fasteten, beteten, sich mit
Geißeln den Rücken zerrissen und ihre geringen Bedürfnisse von freiwilligen Gaben
und Almosen fristeten. Der von ihm gegründete Orden der Franziöcaner oder