Full text: Die Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung

A. Die Üorboten der Revolution. 
1. Die Literatur der Aufklärung. 
§. 451. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden von Frankreich aus 
alle bestehenden Verhältnisse durch die Literatur erschüttert. Geistreiche, aber 
zum Theil verirrte Männer bekämpften die religiösen Glaubenslehren und 
kirchlichen Einrichtungen, griffen die Staatsverfassungen an und stellten die 
bestehenden Zustände und Formen der Gesellschaft als verjährte Mißbräuche 
dar. Indem sie zunächst die wirklichenSchäden und Gebrechen in Religion und 
Kirche, im Staatsleben und Gerichtswesen, in den bürgerlichen Einrichtungen 
und gesellschaftlichen Verhältniffen als Angriffspunkte benutzten, untergruben 
sie allmählich alle Grundfesten der menschlichen Gesellschaft und brachten alle 
Gesetze und herkömmlichen Ordnungen zum Wanken; indem sie Vorrechte, 
Privilegien und Stanvesvorzüge zu vernichten und der Freiheit und dem per¬ 
sönlichen Verdienst seine Geltung zu verschaffen suchten, schwächten sie auch das 
Ansehen alter Satzungen und Rechte und die Kraft der Obrigkeit; und indem 
sie Aberglauben, Vorurtheile und überlieferte Ansichten bekämpften, verwirrten 
sie zugleich Glauben und Gewissen, zerstörten die Ehrfurcht und Achtung vor 
dem Heiligen und Herkömmlichen in den Herzen der Menschen und verbreiteten 
die Ansicht, daß das Glück der Welt nur auf den Trümmern des Bestehenden 
erblühen könne. Besonders geschah dies durch Voltaire, Montesquieu 
und Rousseau, deren geistreiche, durch den Zauber schöner Sprache und 
Darstellung gehobene Schriften von dem ganzen gebildeten Europa gelesen 
wurden. Ihre Wege waren verschieden, aber die Ergebnisse ähnlich. 
h. 452. Voltaire, ein vielseitiger und geistreicher Schriftsteller, der sich in 
allen Gattungen ver Literatur ausgezeichnet hat, bekämpfte mit den Waffen des 
Witzes und scharfen Verstandes alles Herkömmliche und Verjährte, alle herrschen¬ 
den Meinungen und bestehenden Einrichtungen, ohne sich darum zu kümmern, was 
an dessen Stelle treten sollte. In dramatischen und epischen Gedichten (Ma- 
homet, Henriade, Jungfrau von Orleans), in Satiren und Roma¬ 
nen, in gesch ich tlichen und philosophischen Arbeiten („Versuche über 
die Sitten und den Geist der Nationen, "„Zeitalter Ludwigs XIV.", 
„Geschichte Karls XII. von Schweden" u. a. W.) legte er seine Ansichten 
und Zweifel, seine Gedanken und Kritiken, seine Erforschungen und Erfahrungen 
nieder. Religion und Kirche, Priesterthum und Volksglaube erfuhren die heftigsten 
Angriffe; und wenn es nicht zu leugnen ist, daß Voltaire's Spott und Witz man¬ 
ches Vorurtheil zerstört, manchen Aberglauben entfernt und die kirchliche Engher? 
Voltaire 
1694— 
1778.
	        
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