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Napoleons Ausgang und die Restauration.
stürme bedrohten Europa. Schon bildeten sich wieder die Clubs, schon er¬
schallten wieder die Gesänge der Revolutionszeit. Aber Napoleon hatte seine
Abneigung gegen Volksbewegungen noch nicht abgelegt; auch er hatte nichts
gelernt und nichts vergessen. Der Kaiserthron mit seinem Glanz und seinem
Reichsadel sollte wieder erstehen. Dem widerstrebte aber das Volk. Die neue
Verfassung, die auf dem Schaufeste des Maifeldeö beschworen wurde, ge- r. Juni,
nügte den Anforderungen nicht.
§. 535. Diese Vorgänge erzeugten auf dem Wiener Congreß große Be¬
stürzung und stellten die gestörte Eintracht wieder her. Oestreich und Rußland
schienen anfangs nicht abgeneigt, mit Napoleon, der sich an die Bestimmungen
des Pariser Friedens zu halten und die Ruhe Europa's nicht ferner zu gefähr¬
den versprach, aufs Neue zu verhandeln und entweder ihn selbst oder seinen
Sohn im Besitz des französischen Thrones zu lassen. Allein Tall eyr and's
Thätigkeit und Mürat's Unbesonnenheit verschaffte^ dem Grundsatz der Le¬
gitimität abermals den Sieg. Der Usurpator wurde als Feind der Völker
geächtet und der öffentlichen Rache überantwortet.—Mürat hatte sich anfangs
den Verbündeten angeschlossen und den Vicekönig von Italien bekriegt. Aber
erfühlte bald das Unnatürliche dieses VerWrens; seinem geraden militäri¬
schen Sinn widerstrebte ein solcher Verrath der gemeinschaftlichen Sache. Na¬
poleons Landung und Siegeszug war für ihn das Signal zu einer neuen
Schilderhebung. Umsonst warnte ihn der Kaiser vor übereilten Schritten.
Ohne abzuwarten, wie sich die Dinge gestalten würden, erklärte Mürat an
Oestreich den Krieg und rief die Völker Italiens zu den Waffen, um die Ein¬
heit und Unabhängigkeit des schönen Apenninenlandes zu erkämpfen. Die
SchlachtvonTolentino entschied wider ihn; sein Heer lös'te sich auf, und Mai
während er als Flüchtling nach dem südlichen Frankreich eilte, zogen die Obst¬
reicher in seine Hauptstadt ein und gaben den erledigten Thron dem frühem
Besitzer Ferdinand zurück. Nach der Schlacht von Waterloo (§. 536.) irrte
Mürat eine Zeitlang an der französischen Südküste umher, nur mühsam sich
vor den Nachstellungen der Bourbonen verbergend. Endlich entkam er nach
Corsika und unternahm von da aus eine Landung in Calabrien, um das Volk
zum Aufstand gegen Ferdinand zu bewegen. Aber er wurde mit seinen wenigen
Begleitern leicht überwältigt und büßte sein Unternehmen mit dem Tode. Am
15. October wurde Joachim Mürat, der durch Kriegsmuth und Glück vom
Sohne eines Gastwirths zum König des schönsten Landes emporgestiegen, zu
Pizzo erschossen. Er starb als tapferer Soldat mit Muth und Entschlossenheit.
§. 536. Noch früher entschied sich Napoleons Schicksal. Ueber eine halbe
Million Krieger setzten die europäischen Mächte wider den geächteten Usurpator
in Bewegung. Noch ehe sie alle ausgezogen waren, rückte Napoleon, nach
Eröffnung der Kammern in Paris, mit den Soldaten, die ihm von al- 7"'5unu
len Seiten zuströmten, in die Niederlande vor, um den Heeren Blücher's und
Wellington's die Spitze zu bieten. Der Anfang des Feldzugs war den Fran¬
zosen günstig. Bei Ligny wurden die Preußen nach dem tapfersten Wider-1«. Juni,
siand zurückgedrängt, während Ney bei Quatrebras dem aus Engläudern,
Holländern, Hannoveranern u. A. zusammengesetzten Heere Wellington's wi¬
derstand. Dort wurde Blücher verwundet, hier fand der ritterliche Herzog
Wilhelm von Braunschweig (§. 522.) den Tod. Auch am entscheiden¬
den Tage schwankte lange der Sieg; der Kriegsmuth und das großartige Rin¬
gen um Waffenehre war auf beiden Seiten gleich. Erst als die Preußen im
rechten Augenblick dem bedrängten Heere Wellington's zu Hülfe kamen, indeß
der von Napoleon zur Verfolgung Blüchers abgeschickte Marschall Grouchy
sich vom Kampfplatz fern hielt, wurden die Franzosen, trotz der heldenmüthig-