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A. Morgenländische Volker.
Jünglinge selbst an den Wagen gespannt und denselben in den Tempel gezo¬
gen; da habe die Mutter zum Lohne sür die Söhne erfleht, was den Menschen
das Beste sei, worauf diese im Tempel entschlafen und nicht wieder erwacht
waren. Als hierauf Krösus seinen Unwillen äußerte, daß der athenische Weise
sein Glück nicht einmal dem bloßer Bürger gleich achte, gab ihm dieser die be¬
deutsame Antwort, daß vor dem Tode Niem and glücklich zu preisen
sei. Diese Worte, deren Wahrheit KrösuS bald nach Solons Abreise erfahren
hatte, als ihm sein Lieblingssohn Atys auf der Jagd durch einen Speer ge-
tödtet ward, kamen jetzt dem gefangenen König ins Gedächtniß und er rief
schmerzlich aus: O Solon! Solon! Der Ausruf weckte die Neugierde des Per¬
serkönigs. Er ließ sich den Vorgang erzählen und betroffen über die Wahrheit
der Solonischen Worte, setzte er Krösus in Freiheit, hielt ihn in hohen Ehren
und befragte ihn bei allen Unternehmungen um seinen Rath.
§. 28. Mit gleichem Glück unterwarf Cyrus das babylonische Reich. Als
die Babylonier im sichern Gefühl der Unüberwindlichkeit ihrer Stadt ein Fest
feierten, drangen die Perser durch das Strombett des Euphrat, dessen Wasser
sie abgeleitet, in die Stadt, erschlugen den König Na b onetos in seinem Pa¬
laste und eroberten das Land. Dadurch kam auch Syrien, Palästina und Phö-
nizien unter die Oberhoheit der Perser und die gefangenen Juden erhielten von ’38-
„Koresch (Cyrus), dem Gesalbten Jehovah's", die Erlaubniß zur Rückkehr in
ihre Heimath (§. 24). „Wie bist du vom Himmel gefallen, Glanzstern, Sohn
der Morgenröthe!" ries damals eine begeisterte Prophetenstimme in der Freude
über Babels Untergang aus, „zu Boden geschmettert, der du die Völker nieder¬
strecktest ! Wie hat's ein Ende genommen mit dem Dränger, ein Ende mit der
Erpressung." — Bald darauf unternahm Cyrus einen KriegSzug gegen die
Massageten, ein wilves Nomadenvolk in der Nähe des kaspischen Meeres.
Durch List bekam er einen großen Theil des feindlichen Heeres nebst dem An¬
führer, einem Sohn der Massageten-Königin Tomyris, in seine Gewalt,
was den letztern so sehr kränkte, daß er sich, obwohl von Cyrus freigelassen,
selbst den Tod gab. Von Schmerz und Rachegefühl erfüllt, sammelte hierauf
die Königin ihr ganzes Volk um sich und lieferte den Persern am Flusse Ja-
rar tes eine siegreiche Schlacht, worin Cyrus selbst mit dem Kerne seines Hee- 529.
res umkam. Hierauf soll Tomyris das abgeschlagene Haupt des mächtigen
Perserkönigs in einen mit Blut gefüllten Schlauch getaucht haben mit den
Worten: „Nun sättige dich an Blut, dessen du im Leben nicht genug haben
konntest."
h. 29. Des Cyrus kriegerischer und gewaltthätiger Sohn Kambyses Kambyses
erweiterte das persische Reich durch die Eroberung von Aegypten. Furchtbar 529-
war das Schicksal der Nilbewohner. Der unglückliche König Psammenit j21'
wurde gefangen genommen und mußte die Mißhandlung seines Volkes und die
Schmach seiner Kinder sehen. Kambyses, erbittert daß ihm einst der Aegypter-
könig nicht seine eigene, sondern die Tochter seines Vorgängers zur Gemahlin
gegeben, zwang die Königstochter und die vornehmen Jungfrauen des Landes
Sklavenkleider anzulegen und Wasser zu tragen und gebot, den Königssohn
nebst zweitausend jungen Aegyptern zum Tode zu führen. Während alle Anwe¬
senden beim Anblick solcher Leiden in lautes Wehklagen ausbrachen, blieb allein
Psammenit thränenlos. Als aber einer seiner ehemaligen Tischgenossen, nun
im Alter ein Bettler, vor ihm vorüberzog und die Soldaten um ein Almosen
anflehte, fing er laut zu weinen an. Von Kambyses um die Ursache befragt,
antwortete er: „mein häusliches Unglück ist zu groß, um beweint zu werden,
aber diese Noth des Freundes ist der Thränen werth." Psammenit starb eines