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Landsknechte und Soldaten. § 420—422.
Glied zu brechen, auf Commandowort seine geschickten Schwenkungen auszu¬
führen, seine Kreise, die von vorgehaltenen Spießen starrten, zu schließen. Sie
hatten ihre eigenen Sitten, ihre eigenen Gesetze soldatischer Ehre, ihre eigenen
Lieder, ihren freien, kecken und heitern Sinn. Wobl war Rohheit und Beute¬
lust bei ihrem wilden fahrenden Leben nicht zu vermeiden — aber der frische,
ritterliche Geist, wie er im 16. Jahrhundert besonders den Bürger- und Bauern¬
stand erfaßte, herrschte in diesen Schaaren, und sie trugen wesentlich dazu bei,
daß noch der Ruf deutscher Tapferkeit im Auslande gefürchtet blieb.
§ 421. Anders war es hundert Jahre später, als der dreißigjährige Krieg
begann. Auch jetzt noch hatten die Fürsten keine stehenden Heere, und da die
alten Vasallenaufgebote (§ 145 ) zum Spott herabgesunken waren, so sahen sich
jene allein auf Söldner angewiesen. Der Sold aber stand hoch, und schon ein
mäßiges Heer zu unterhalten, ging über die Kräfte des einzelnen Fürsten, selbst
des Kaisers hinaus. So kam man auf die schreckliche Idee, die Heere durch
sich selbst, durch Contributiouen, Brandschatzungeu und Plünderungen zu unter¬
halten, und so traten die Baudenführer auf, ein Christian von Braun¬
schweig, Ernst von Mansfeld, vor Allem Wallenstein. Ein Heer zu
stellen, ward nun gewissermaßen eine geschäftliche, oft königlichen Gewinn ver¬
heißende Unternehmung. Dem obersten Kriegsführer boten sich bereits namhafte
Untergenerale und Obersten; diese warben ihre Regimenter, die Hauptleute ihpe
Compagnien, kleinere Offiziere ihre Fähnlein; jeder auf eigene Kosten, und daher
auch genöthigt, sich während des Krieges bezahlt zu machen. Aus aller Herren
Ländern strömte nun das kriegs- und beutelustige Gesindel zusammen; von einem
Heer zum andern 'liefen die Soldaten über; wo gerade die meiste Ungebundenheit,
die meiste Hoffnung auf Gewinn war, dahin zog sich die Masse. Gustav
Adolf brachte dann das erste stehende Heer aus Landeskindern in den Krieg;
nach seinem Tode sank auch dieß wieder zur Kriegsbande herab, die den andern
an Wildheit nichts nachgab. — Die Bewaffnung bildete, wie die ganze Zeit,
einen Uebergang vom Mittelalter zur Neuzeit. An die Stelle der Eisenhaube
trat mehr und mehr der Hut, den der Soldat, wenn er Geld hatte, mit Federn
schmückte; Brustharnisch, hohe Stiefeln blieben; das Feuergewehr ward allge¬
meiner, auch der Reiter trug seine großen Pistolen am Sattel. Man hatte
Kürassiere (schwer geharnischte Reiter), Dragoner (mit Pike und Muskete
bewaffnet und sowohl zu Pferde als zu Fuß kämpfend), Arkebusiere (Scharf¬
schützen) u. s. w.
§ 422. Je länger der Krieg währte, je unregelmäßiger der Sold einging,
um so mehr waren diese Heere auf Gewaltthat angewiesen. Da verschwand der
letzte Nest ritterlicher Landsknechtssitte. Der Soldat sah sich aufs Plündern
„aufs ParteigeheiG angewiesen. Mitten im Kriege suchte er sich eine Art wilder
Häuslichkeit einzurichten. Das Lager wimmelte von Soldatenweibern, Marke¬
tenderinnen, fahrenden Dirnen, Soldatenjungen u. s. w. Es kam so weit, daß
man, besonders in der letzten Zeit des Krieges, auf etwa 40,000 Manu kampf¬
fähige Soldaten einen Troß von 180,000 Menschen rechnen konnte. Solch ein
Heer war also ein wanderndes Volk, und es war schlimmer wie jene Schaaren
der Völkerwanderung, weil bei ihm die Gaben einer schon entwickelteren Cultur
dem Verbrechen und der Gewalt dienstbar wurden. Das Land ward zur Wiffte,
wo solch ein Heer zog, noch mehr, wo es lagerte. Weit und breit näherte
sich dann dem Lagerwall, der von halbwilden Buben und den Lagerhunden um¬
schwärmt ward, kein lebendes Wesen. Bald genug trieb den Soldaten der
Hunger auf Beutezüge; bis in die fernsten Verstecke schweiften die „Parteien",
zufrieden, wenn sie ein Dorf oder Gehöft fand, das frühere Züge verschont