fullscreen: Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt

388 XXI. §. 1. Verbreitung neuer kirchlicher Grundsätze. 
schöfe Englands und der Nordländer, sondern auch fast alle katholischen 
Bischöfe der Jetztzeit gestellt sehen. In ähnlicher Weise hätte sich 
auch die Stellung des Oberbischofs oder Papstes ordnen lassen. Allein 
zu dieser Anschauung erhoben sich die resormatoriscyen Männer des 
11. Jahrhunderts, die Cluniacenser und ihre Freunde, mit Nichten. 
Frei vom Staate sollte die Kirche sein, aber ihre Macht, ihre Güter, 
ihre Herrschaften und Privilegien, ihre Neichthümer und Territorien 
sollte sie behalten. Die Kirche sollte nach ihrem Belieben sich Päpste 
und Bischöfe und Siebte einsetzen, welche sie wollte, aber die weltlichen 
Herrscher sollten gezwungen sein, die von der Kirche eingesetzten hohen 
Geistlichen als ihre Reichsfürsten und mächtigen Reichswürdenträger 
anzuerkennen und ihnen die Regierung eines großen Theils ihrer Un- 
terthanen anzuvertrauen. Daß dadurch die Kirche nothwendig zur 
Oberhoheit über die Fürsten und Staaten emporsteigen mußte, ist klar. 
Auf diese Weise wurde der Grund gelegt zu jener römischen Kirchen¬ 
macht (Hierarchie), welche allmalig ganz Europa zu umspannen und 
an die Stelle des römischen Kaiserthums zu treten wußte, also daß 
die Häupter der Kirche die eigentlichen Regenten der christlichen Staa¬ 
ten wurden und eine päpstliche Theokratie die gesammte Christenheit 
zu einem gewaltigen Kirchenreich vereinigte. Wie schnell durch solch 
Trachten nach irdischer Herrschaft die geistlichen Kräfte, das Salz, das 
Leben in den oberen Kreisen der Kirchenmänner verloren gingen, zeigt 
der weitere Verlauf der Geschichte in betrübendster Weise. Schon 
gleich die ersten Schritte auf dieser Bahn des Herrschens traten mit 
dem Worte Gottes und der christlichen Moral in direkten Widerspruch. 
Die Forderung des Cölibats, welches 1 Tim. 4, 3 ausdrücklich als 
eine Lehre der Teufel gebrandmarkt wird, mußte von den Führern 
der neuen Richtung nothwendig auf die äußerste Spitze getrieben wer¬ 
den, um jede bürgerliche Verbindung zwischen dem Clerus und dem 
Volk und Staat zu zerreißen. Der Eid der Treue, der von den Unter- 
thanen der von Gott eingesetzten Obrigkeit geleistet war, wurde von 
diesen Kirchenmännern in demselben Maße als etwas Geringfügiges, 
Wandelbares, leicht Aufzulösendes dargestellt, wie andererseits die Treue 
gegen die Kirchenhäupter erhoben und als Treue gegen Gott selbst, als 
unumgänglich zur Seligkeit erforderlich verkündigt wurde. Kurz Alles 
war darauf angelegt, alle Macht, Gewalt und Herrschaft auf Erden 
in die Hände der Geistlichkeit und ihres Oberhauptes zu bringen. Da 
gemahnt eö uns an jenes weissagende Wort bei dem Seher Johannes, 
Offenb. 13, 11 ff. Als das Thier mit seinen sieben Häuptern, wel¬ 
ches die Reiche der Weltmacht darstellt, sein eines todtwundeS Haupt
	        
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