Hunnen. Westgothen. Vandalen. § 26—27.
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B.
Geschichte der großen Völkerwanderung.
1. Hunnen, Westgothen. Vandalen.
( § 26. Lange hatten im Innern Hochasien schon Völkerbewegungen statt¬
gefunden, in Folge derer zuletzt der mongolische Stamm der Hunnen nach
Europa einbrach, um hier Wohnsitze zu suchen (375 n. Chr.). Gestalt, Lebens¬
art und Sitte dieses Volkes waren sowohl den Germanen, als auch den Griechen
und Röniern fremd und schrecklich. Ein Nomadenvolk, lebten sie mehr auf
Nossen und Wagen, als auf der festen Erde; furchtbar waren sie im Angriff,
mit ihren schnellen Pferden, den knochengespitzten Pfeilen und den tückisch ge¬
worfenen Schlingen, furchtbar noch im Fliehen, und unermüdlich in Erneuerung
des Kampfes. Die Gothen glaubten, sie seien aus unreiner Ehe gothischer
verbannter Zauberweiber und der Dämonen der Wüste entsprossen, so grauen¬
voll und häßlich war der erste Eindruck, den dies Volk auf ihre Gemüther
machte.
Mit ihrem Einbruch beginnt die große Völkerwanderung. Westlich
vom Don trafen sie zuerst die Alanen (§ 23.), die sich ihnen unterwarfen.
Dann griffen sie die Ostgothen an, die noch unter dem mehr.als 100 fahrigen
Ermenerich standen. Sie besiegten sie, vielleicht mit Hilfe innerer Unruhen,
und Ermenerich fiel in fein eigenes Schwert. Im weiteren Vordringen bedrohten
sie nun auch die Westgothen, die unter zwei Königen sich getheilt, Athauerich,
der an dem heidnischen GLtterglauben der Väter festhielt, und Frithigern, der
'bereits Christ war. Jene fügten sich oder warfen sich in die Karpathen, diese
^ baten um Aufnahme in das Römerreich. Hinter der Donau, als ein im Ge¬
horsam des Imperators stehendes Heer, wollten sie die Grenze des Reichs schützen.
Kaiser Valens gewährte die Aufnahme, und im Frühling 378 kamen sie,
200,000 Mann stark, nachdem sie ihre Waffen abgeliefert, über die hoch¬
geschwollene Donau. Aber im Römerreiche ausgenommen, fielen sie der Habsucht
der römischen Beamten anheim, die ihnen ihre Schätze abnahmen und die ver¬
sprochenen Leistungen verkürzten. So trieb die Noth die eben noch Flüchtigen
und Schutzflehenden zum Aufstande und zum Kriege. In der blutigen Schlacht
bei Adrianopel (9. August 378) siegten sie völlig; Valens selber fiel.
§ 27. Theodosius, der bald darauf in der Regierung folgte, der letzte
große römische Kaiser, wußte sie zu versöhnen, machte sie zu seinen Kriegern
und Bundesgenossen und siedelte sie in Thracien an. Ehe er starb, 395, theilte
er das Reich in einen oströmischen Theil, den sein ältester Sohn Arkadius, und
in einen weströmischen Theil, den Honorius erhielt. Aber Arkadius, von seinem
Minister Rufinus geleitet, reizte die Westgothen aufs neue. Diese erhoben den
kühnen und schlauen Alarich aus ihrem Königsgeschlechte der Balthen nach
väterlicher Sitte als ihren König auf den Schild, und alsbald durchzog Alarich,
iudem er Angriff und Belagerung fester Städte vermied, plündernd und ver¬
wüstend die ganze griechische Halbinsel (396). Durch die Thermopylen, an
Athen vorüber, kam er bis in den Peloponnes — ungehindert betrat sein Fuß
die Stätten altgriechischer Herrlichkeit. Erst vom Westreiche mußte Hilfe und
Erlösung kommen. Sie brachte des Honorius Minister, Stilicho, von Abkunft
selber ein Germane; nur mit Mühe rettete damals Alarich sein Heer in die