Die Meruwinger. § 49—50.
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Purpurmantel, der ihm von Constantinopel übersandt war, stolz daherritt: denn
noch immer übte der Name Roms und des Kaisers auch für Barbaren etwas
von jenem Zauber, den er so lange Jahrhunderte besessen hatte, und erst jetzt
galt die Macht des Frankenkönigs auch in den Augen der Welschen als recht¬
mäßig. Chlodwig ist der Gründer des Frankenreiches: mit mancher Blutthat,
aber mit ungewöhnlicher Kraft und Kühnheit hat er es aufgebaut. Es begann
im Süden von der Garonne, folgte dem Zuge der Sevennen und der Cöte d'or,
griff dann nach Osten weit über den Rhein, gegen Neckar und Main und gegen
Saale und Fulda hin, und umfaßte weiter nordwärts die niederrrheinische Tief¬
ebne bis zum Meer. Im Westen bildete der Atlantische Ocean die Grenze.
Dieses Reich umschloß also deutsche wie welsche Länder, wurzelte aber fest am
alten heimischen Boden, aus dem es stets neue Kraft sog, und eben darum war
ihm keine bloß vorübergehende Dauer beschieden, wie den Gothenherrschasten;
sondern in ihm beginnt der mittelalterliche Staat, beginnt ein neues Leben,
wo römische Form mit deutscher Kraft sich durchdringt. Chlodwig gebot von
Paris aus, einer Stadt, die schon vor der Römer und Cäsars Zeit bestanden,
über sein weites Reich. Hier starb er noch früh, 511, im 45. Jahre seines Lebens.
2. Die Meruwinger.
§ 50. Chlodwig hinterließ vier Söhne, unter die, nach Frankenart, das
Land getheilt ward, und auf die des Vaters blutiger und gewaltthätiger Sinn
forterbte. Der älteste Sohn*), Theoderich, aus einer früheren heidnischen Ehe
entsprossen, erhielt, gleichwohl den Hauptantheil. Ihm fiel das ganze östliche,
rein deutsche Land zu, das fortan unter dem Namen Austrasien begriffen
wurde, und welches er von Metz aus beherrschte. Drei jüngere Brüder,
Söhne der Chlothilde, theilten das westliche, ursprünglich römische (welsche)
Gebiet, das fortan Neustrien genannt wurde, und zwar so, daß Chlodomir
von Orleans, Childebert von Paris und Chlothar von Soissons
aus das umliegende Land beherrschte. Trotz der Theilung galt das Franken¬
reich als ein einiges, von Chlodwigs Nachkommen, dem Königsgeschlecht der
Meruwinger**) beherrscht. Die Söhne vollbrachten dann auch gemeinschaftlich
ihre Eroberungen.
§ 51. Im Thüringerreiche hatten die Söhne des Basinus (§44) eben¬
falls getheilt; der älteste aber unter ihnen, Jrmenfrid, vermählt mit einer
Nichte Theoderichs des Großen, einer Frau aus dem Amalerstamm, hatte, von
Theoderich
>
Theodebert
Theobald 555
*) Chlodwig f 511
I
Chlodomir f 524 Childebert f 534 Chlotar I. 561
Theodewald, Günther
(von den Oheimen ermordet)
Charibert Guntram Chilperich Sigbert
(Fredegunde) (Brunehilde.)
Chlotar II.
Dagobert 4 638 Charibevt ur s. av. -
**) Nach der Meeruwe, oder einem fabelhaften Vorfahren Meroväus benannt.
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