Wanderung durch die Sudeten..
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waldigen und feuchten Thäler entstanden, theils durch Winde aus
entfernten Westgegenden herbeigetrieben sind. Bei günstigen Umstanden
reichen wenige Stunden hin, den Bergspitzen „eine Haube aufzusetzen,"
die höheren Regionen mit Wolken „einzupopeln", oder das ganze
Gebirge sammt seinen Thälern mit dichtem Nebel zu überziehen und
auszufüllen oder „einzusacken".
Die im Sommer entstehenden Regengüsse sind oft von der hef¬
tigsten Art, und die Gewitter toben bisweilen unter Hagelwetter und
Wolkenbrüchen aus; sie überschütten allerdings mehr die Hänge und
Thalebenen, treffen aber auch mit ihren Blitzen selbst die höchsten
Berggipfel. So wurde erst vor einigen Jahren ein Reisender aus
Breslau in der Koppenkapelle vom Blitze getroffen und getödtet,
während die übrigen Anwesenden mit einer kurzen Betäubung oder
starken Erschütterung wegkamen. Diese oft unvorhergesehenen, häufig
schnell wechselnden Veränderungen des Wetters sind der Volkssage
nach die Launen des gewaltigen Berggeistes Rübezahl, welcher seit
dem 30jährigen Kriege diese schauerlich großartige Gebirgsgegend be¬
herrscht.
In den Sommermonaten besuchen Reisende zu ihrem Vergnügen
zahlreich das Riesengebirge. Die Hauptwege sind nach Umständen
gut angelegt, Führer und Träger nach Verlangen in den Ortschaften
am Fuße des Gebirges zu erhalten, und die vielen Bauden im Hoch¬
gebirge gewähren Aufnahme und Bewirthung. Wir steigen aus dem
Thale bei Schmiedeberg über hochgrasige, blumenreiche Wiesen und
im Schatten der dunkelgrünen Waldungen, in denen Laub- und Na¬
delbäume untermischt stehen, zu den Grenzbauden hinauf; das sind
einzelne, auf weiten, frischgrünen Gebirgsmatten zerstreut liegende, aus
Holz gebaute Häuser, deren eines durch sein freundliches Aussehen
uns einladet, darin kurze Rast zu machen und uns für die Ersteigung
der Riesenkoppe zu stärken. Von da leitet uns der Weg weiter, an¬
fänglich durch Wald, dann aber über nacktes, silberglänzendes Gestein
des Glimmerschiefers bis zum Scheitel der Koppe hinauf.
Der Kegel der Koppe ist einige 100 Fuß höher als der Kamm,
und wird von Felsgetrümmer ummantelt, auf welchem die Veilchen¬
flechte wuchert, die dem Gestein einen Veilchengeruch mittheilt, wonach
die abgeschlagenen Stücke „Veilchensteine" heißen. Die Scheitelfläche
trägt eine steinerne, zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmte Kapelle,
und neben dieser eine Baude zur Aufnahme der Reisenden. Vom
Pflanzenwuchs zeigen sich nur dürftige Spuren, da hier oben rauhe
Luft und kalte Luftströme auch im Sommer herrschen. Von diesem
höchsten Standpunkte des ganzen mittleren und nördlichen Deutsch¬
lands überblickt man das gesammte Hochgebirge mit seinen Spitzen,
Kämmen, Schluchten sowohl, wie auch die weite Landschaft mit ihren
Städten und Dörfern bis nach Breslau und Prag. Die grausigen
Tiefen des Aupe- und Melzergrundes öffnen sich unter den Füßen,
jener nach Böhmen, dieser nach Schlesien ausmündend, jener von der