Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

Kap. 25. Erster Kreuzzug. (Eroberung Jerusalems.) 
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mußten, wobei sie noch dazu vor Durst fast verschmachteten. Erst als 
genuesische Schiffe Lebensmittel, Bauwerkzeuge und neue Pilger- 
schaaren brachten, konnte an etwas Entscheidendes gedacht werden. 
Endlich nach 39tägiger Umlagerung ward zum Hauptsturm geschritten 
und trotz der verzweifeltsten Gegenwehr der Sarazenen, am zweiten 
Tage unter dem Freudenrus: Gott hilft! Gott will's! am 15. Juli 
des Jahres 
1099 Jerusalem erobert. Nach einem fürchterlichen Blutbade, durch 
welches der von dem langen Widerstand bis zur Wuth gesteigerte 
Glaubenseifer der Kreuzfahrer Strafe an den Ungläubigen üben zu 
müssen glaubte, zogen sie mit bloßen Häuptern und Füßen nach der 
Kirche des heiligen Grabes, dankten Gott für diesen Sieg und beich¬ 
teten ihre Sünden. 
Um die Eroberung zu sichern, mußte man Jerusalem zum 
Mittelpunct einer festen, den Angriffen der mächtigen Feinde des 
Christennamens widerstehenden Herrschaft machen. Daher wurde Gott¬ 
fried, der durch Tapferkeit und Milde, Festigkeit und Besonnenheit, 
Uneigennützigkeit und Frömmigkeit stets Allen vorangeleuchtet hatte, 
von den Fürsten zum König des neuen Reiches erwählt. Er nahm die 
Würde, aber nicht den Titel an und nannte sich aus Demuth nur 
„Beschützer des heiliger! Grabes." 
Bereits aber war der Vezier des Chalifen von Aegypten mit einem 
Heere von 140,000 Mann im Anzug, um Palästina wieder zu er¬ 
obern, und die Christen konnten ihm nur 20,000 M. entgegenstellen. 
Dennoch gewann G ottfri ed den großen Sieg beiAskalon, durch 
welchen der neue Christenstaat aus eine Reihe von Jahren hinaus vor 
den Angriffen der Sarazenen gesichert wurde. Gottfried's Gerechtigkeit 
und Versöhnlichkeit bewog viele syrische Städte und Fürsten, Zins- 
und Handelsverträge mit ihm zu schließen, und mehr und mehr schien 
das Reich unter seiner Leitung zu erstarken. Allein Gottfried starb 
schon nach einem Jahre an den Folgen seiner großen Anstrengungen, 
von Franken, Syriern und Griechen beweint. Auf seinen Wunsch 
und durch die Wahl der Fürsten erhielt er seinen Bruder Bald uin, 
bisherigen Fürsten von Edessa, zum Nachfolger, und dieser nahm bei 
seiner Krönung den Titel „König von Jerusalem" an. 
(4.) ^hne Zuzug aus dem Abendlande konnte aber das neue Reich 
nicht bestehen. Zwar machte sich schon im Jahr 1102 unter Welf IV 
von Bayern ein neues Kreuzheer von (50,000 Mann nach dem 
Morgenlande auf, gieng aber durch die Treulosigkeit der Wegweiser 
und durch die Macht des Sultans von Jconium zu Grunde.
	        
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