246 Kap. 31. Anfang der Reformation. (Verbrennung der päpstl. Bulle.)
Kirchen recht vor dem Thore zu Wittenberg öffentlich ver¬
brannte, auf immer von dem Papstthume los.
Diese Bulle hatte aber die gegentheilige Wirkung: an unzäh¬
ligen Orten riß man sie ab und achtete ihrer nicht. Als zwei päpstliche
Gesandte nach Wittenberg an den Kurfürsten kamen mit der Auffor¬
derung, Luther's Schriften verbrennen zu lassen und ihn gefangen
nach Rom zu senden, lehnte der Kurfürst dieses Ansinnen ab, und als
man zu Ingolstadt, Mainz, Köln, Löwen und Antwerpen
Luther's Schriften verbrannte (wiewohl unter lauter Aeußerung des
Volksunwillens), so ließ sich Luther dadurch zu jenem verhängniß-
vollen Schritt vor dem Elsterthor bewegen, durch welchen der Riß in
die ganze abendländische Christenheit geschah, welcher,
durch fast alle innern und äußern Lebensverhältnisse hindurch gehend,
für beide getrennten Theile eine fortwährende ernste Mahnung
zur Buße ist.
Mit obigen Schriften, so wie mit dieser Handlung entfremdete
sich Luther alle Diejenigen, die zwar mit ihm eine Heilung der kirch¬
lichen Gebrechen angeftrebt hatten, die aber vor einer Zertrümmerung
der römischen Kirche selbst Scheu trugen. Dagegen blieben auf Luther's
Seite einestheils Diejenigen, welche mit der heiligen Schrift näher
vertraut waren oder die wenigstens in ihrem sittlichen Ernste von der
damaligen Beschaffenheit der Kirche kein Heil mehr erwarteten, aber
sehnlich darnach strebten, anderntheils freilich auch gar Viele, welche
aus andern, mehr äußerlichen Gründen mit der römischen Kirche
unzufrieden oder zerfallen waren, so daß gleich von Anfang an in
der Reformation ebenfalls, wie in allen vorangegangenen Entwick¬
lungsperioden des Reiches Gottes, neben dem Waizen der Afterwaizen
aufzuwuchern, neben dem positiven Festhalten des ewigen Grundes die
denselben untergrabende Verneinung geschäftig zu sehn begann.
Unter denen, die anfangs dem Luther Beifall zollten, war auch
Erasmus, der selbst dem Kurfürsten von Sachsen rieth, sich durch
Luther's Gegner nicht zu Zwangsmaßregeln bestimmen zu lassen; da
er aber den Sturm ausbrechen sah, zog er sich zurück, und war zu¬
nächst darauf bedacht, keinem Theile Anstoß zu geben. Selbst Staupitz,
als er sah, daß die Bewegung nicht mehr innerhalb der Kirche blieb,
wendete sich allmählig von Luther ab. — Der Umstand, daß sich der
Reformation gleich anfangs auch eine Menge nach Ungebundenheit
lüsterner Menschen aus verschiedenen Ständen anschloßen, welche der
Sache des Evangeliums durch ihren fleischlich-rohen Sinn großen
Schaden brachten, schreckte besonders Viele zurück. Mußte doch selbst