Full text: Die deutsche Geschichte in ihren wesentlichen Grundzügen und in einem übersichtlichen Zusammenhang

248 Kap. 31. Anfang der Reformation. (Luther in Worms.) 
jung, mit dem Wesen und der Sprache der Deutschen völlig unbekannt, 
und zugleich der Beihülfe des Papstes sowohl in dem vorauszusehen¬ 
den Kriege mit Frankreich, als auch in seiner Stellung zu den spa¬ 
nischen Ständen bedürftig. Diesen Ständen zu Gunsten hatte der Papst 
kurz vorher die Inquisition, die in Spanien meist dem weltlichen Re¬ 
gimenté zum Werkzeuge diente, gemildert und Karl sah dadurch seine 
dortige Negierung gefährdet: er drang daher beim Papste auf Zu¬ 
rücknahme des Milderungsbreve's, und dieser gewährte sie für Karsts 
Beistand gegen Luthers Lehre, die bereits selbst Fürsten, darunter 
vorzüglich den Kurfürsten Friedrich von Sachsen, den Landgrafen 
Philipp von Hessen und den Markgrafen A l b r e ch t von Bran¬ 
denburg, zu Anhängern gewonnen hatte. 
(6.) Shells um die ständische Beihülfe zu seinem Kampfe mit Frank¬ 
reich, der hauptsächlich in Italien geführt werden mußte, zu erhalten, 
theils um die Bewegung gegen die Kirche zu unterdrücken, ervffnete 
Karl gleich im nächsten Jahre 
1321 den Reichstag zu Worms, auf welchem Luther, ungeachtet der 
päpstliche Legat die Bannbulle für ihn mitgebracht hatte, nach voran¬ 
gegangener Aufforderung und empfangener Zusage kaiserlichen Ge¬ 
leits, trotz aller Abwarnungen seiner Freunde, unter dem Zuströmen 
einer Ungeheuern Volksmenge am 16. April in Person erschien, und 
um so größere Erwartungen erregte, als selbst sämmtliche Reichs¬ 
stände, darunter der eifrig katholische Herz og Georg von Sach¬ 
sen, in 105 Artikeln große Beschwerden gegen den römischen Hof 
und gegen die Entartung der Kirche erhoben hatten. 
Schon gleich nach Karl's Wahl hatte Luther an ihn geschrieben und ihn 
gebeten, daß er ihn nicht unvcrhört und unwidcrlcgt verdammen lassen möchte und 
Kurfürst Friedrich hatte diese Bitte so kräftig unterstützt, daß der Kaiser, 
ungeachtet der päpstliche Legat Aleander die Sache als eine schon entschiedene 
beurthcilt wissen wollte, ein besonderes Vorladungöschrcibcn an Luther erließ, weil 
selbst die Rctchsstände auf vorausgehcnde persönliche Vernehmung Luthers drangen. 
— Die genannten rcichsständischcn Beschwerden (Gravamina) gegen den römischen 
Stuhl enthielten unter andern Klagen auch die, daß der Papst die Rechte Deutsch¬ 
lands nicht achte, geistliche Aemtcr um hohen Preis verkaufe, sich die Vergebung 
der Sünden bezahlen lasse, indem päpstliche Heiligkeit „täglich so viele Indulgen; 
und Ablaß in die deutsche Nation schicke, dadurch arme Einfältige verführt und 
nur ihrer Baarschaft bethört würden." Auch klagten sie über den Mißbrauch des 
Bannes, daß oft „um 4 und 8 Kreuzer willen mit dem Banne gedroht werde." 
— Luther sah in der Berufung vom Kaiser „eine Berufung von Gott", und 
ließ sich nicht halten, Folge zu leisten. Noch in der Nähe von Worms ließ ihn 
selbst S pal a tin warnen, die Stadt zu betreten; aber Luther entgcgnete uner¬ 
schrocken: „Wenn so viele Teufel zu WormS wären, als Ziegel auf den Dächern,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.