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Kap. 4. Kampf der Cimbern und Teutonen mit den Römern.
Nach der Eroberung dieses Lagers verbreiteten sich die Cimbern
unaufgehalten über die herrlichen Gefilde Oberitaliens, in dessen Ueber-
flusse sie aber auch bis fast zur Verweichlichung schwelgten.
Dadurch ließen sie dem Marius Zeit, sich am Po mit dem
Catulus zu vereinigen und den Cimbern entgegen zu rücken. Diese
schickten einstweilen Gesandte an Marius und verlangten Land für
sich und ihre Brüder, die Teutonen, deren Untergang ihnen zwar
gemeldet worden war, aber von ihnen nicht geglaubt wurde. Als
ihnen Marius antwortete, die Teutonen hätten schon Land erhalten,
worin sic gut ruhten, und zur Erläuterung dieser Worte den gefcssel-
tcnTcntobod sammt andern teutonischen Gefangenen vorführen ließ,
da forderten des andern Tags die Cimbern mit verachtendem Grimm
durch ihren Herzog Bojorich den Marius auf, Ort und Zeit zum
Kampf zu bestimmen. Marius that's und so kam es nach drei Tagen
101 v. Ehr. zur Schlacht auf der raudischen Ebene (zwischen Ve¬
rona und Vcrcclli), in welcher nun auch die Cimbern ihren
Untergang fanden.
Nebel bedeckte die Gegend. Marius hatte mit 32,000 Mann die beiden
Flügel, CatuluS mit 23,000 M. die Mitte des römischen Heeres inne. Die
Cimbern bildeten mit 150,000 M. zu Fuß ein großes festes Viereck und deckten
cs mit 15,000 gepanzerten Reitern, die den Angriff machten und durch verstellte
Flucht die verfolgenden Römer so weit heranlocktcn , daß das ganze deutsche Fu߬
volk ihnen in den Rücken fiel und schon der Steg gewonnen schien.
Da gelobte Mari ns den Göttern Rom's große Opfer, und als plötzlich
Sonne und Wind den Nebel zcrthciltcn, rief Marius: „der Sieg ist mein!" und
mit erneuertem Muthe stürzten die Römer in den Kampf. Den Cimbern aber
war Sonne, Wind und Staub entgegen, und nichts half ihnen ihre ge¬
wohnte Tapferkeit, nichts, daß sich ihre vordcrn Reihen Mann für Mann mit
Ketten aneinander gebunden hatten, um nicht zu weichen: sie wurden dadurch nur
um so eher nicdcrgestrcckt. Bojorich fiel unter den Ersten; 90,000 erschlagene
Cimbern bedeckten das Schlachtfeld; die klebrigen flohen in ihr Lager, wo durch
die Vcrzwcislungswuth der in Traucrgewändcr gehüllten Weiber ein neuer Kampf
entbrannte, in welchem die Cimbern vollends erlagen, und ihre Weiber, um der
Knechtschaft der Römer zu entgehen, ihren eigenen Kindern und sich selber den
Tod gaben. Ein Theil der Cimbern entkam in die Alpen. —
(Hinter Rover cdo, iim Trembelleno, Tcrragnolo und Ball Arsa am
Lcno, wohnen noch heute, wie man glaubt, Abkömmlinge der Cimbern,
welche bei dieser Schlacht in die benachbarten Tyrolerbcrgc zurückgcdrängt worden
sind. „Ihre rauhe Lebensweise, ihre niedrige Bildungsstufe und ihre barbarische
Sprache, verbunden mit ihrer kräftigen Geradheit, lassen mit Grund auf solche
Abstammung schließen. — Bekannter noch sind die Bewohner der sieben und
der dreizehn Gemeinden auf den vcncdischen Alpen als Nachkommen der
Cimbern. So lange Venedig die Hoheit über sic hatte, erhielt es diese Deutschen
bei ihrer Sprache; seitdem aber verliert sich dieselbe unter ihnen.)