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Der Marcomanneukrieg.
Befreier Deutschlands, nach fast hundert Jahren noch durch Lieder k*
fungen worden sei. Ihre Gesänge, welche den Römern rauh und wild
vorkamen, begleiteten die Germanen mit der Harfe, welche wahrschein,
lich ihr ältestes musikalisches Instrument war. Auch einfache Blas-
Jnftrumente, Horn und Flöte, scheinen ihnen bekannt gewesen zu sein.
Daß es bei den Germanen schon früh Leute gegeben habe, deren Be«
schäftigung es war, alte ititb beliebte Lieder mit Begleitung der Harfe
vorzutragen, ist sehr wahrscheinlich, aber sie bildeten keine eigene Classe
oder Zunft, waren keine eigentliche Barden.
6. Auch besaßen die Germanen schon zur Zeit von Christi Geburt
eine Art von Buchstabenschrift, welche sie, wo nicht allein, doch vor¬
zugsweise zu Weissagungen gebrauchten. Nach den oben (S. 41) an¬
geführten Worten des Tacitus schnitt man Zweige eines Fruchtbaumes
in Reiser und unterschied sie „durch gewisse Zeichen." Diese Zeichen,
nach welchen die aufgehobenen Reiser gedeutet wurden, trugen also
schon eine gewisse Bedeutung in sich, und Zeichen von bestimmter
Sprachbedeutung sind Buchstaben. Man legte die Zeichen aus, indem
man entweder, wie sie nach und nach aufgehoben wurden, ein Wort
aus ihnen zu bilden oder dem Namen jedes Buchstaben einen Bezug
auf den fraglichen Gegenstand zu geben suchte. Wegen dieses heiligen
Gebrauchs hieß diese Schrift später Runenschrift (runa), was sonst
Geheimniß bedeutet.
§. 25. Der Marcomamienkrieg.
1. So oft das Dunkel, welches nach dem allmäligen Rückzuge der
Römer aus dem Innern Deutschlands über dessen Schicksale und Ver¬
hältnisse sich ausbreitet, durch einen Lichtstrahl der Geschichte erhellt
wird, erblicken wir die germanischen Völkerschaften in fortwährender
Bewegung. Viele derselben rückten immer weiter ^nach dem Rheine
oder der Donau hin und nahmen die von den Römern verlassenen
Landstriche in Besitz; nicht lange nachher überschritten sie allmälig jene
beiden Grenzflüsse und erkämpften sich in den Provinzen des hinsinken-
dcn Römerreiches neue Wohnsitze.
2. Der Angriffskrieg gegen die Römer wurde begonnen durch die
Völkerschaften des südlichen Deutschlands und Pannoniens, an deren
Spitze die Marcomanneu standen. Während nämlich im Oriente die
Parther das römische Reich bedrängten, überschritten die Marcomannen
in Verbindung mit den Quaden, Hermunduren, Vandalen, Sueven,
Jazygen und Alanen im 1.166 die Grenzen des Römerreiches und ergossen
sich plündernd und Alles verheerend über die römischen Süddonauländer.
Damit begann der furchtbare Krieg, der bis zum I. 180 dauerte und
von den Römern der Mareomannische genannt wird, weil ihnen von
den verbundenen Völkerschaften die Marcomannen am bekanntesten
waren. Damals saß Marcus Aurelius auf dein römischen Kaiserthron,
ctu kräftiger und tüchtiger Herrscher. Aber er wagte anfangs nicht,
den Germanen entgegen zu rücken. In den ersten vier Jahren des
Krieges nahmen sie Pannonien ein, durchzogen Jllyrien und verschonten
selbst Griechenland nicht; im fünften erschienen sogar einzelne Schaaren
vor Aquileja an der' Nordgrenze Italiens, und erfüllten Rom und
ganz Italien mit Angst und Schrecken. Da endlich zog Marc Aurel
ein Heer zusammen und rückte, nachdem er durch Gebete und große
Opfer die Gunst der Götter zu gewinnen gesucht hatte, den Feinden