9. Rußland und die Türkei bis zum Frieden von Adrianopel. 105
den. Paskewitsch, dessen Ruf in dem fernen Armenien und am
Ufer des Araxes begonnen und später an der Weichsel und in Un¬
garn sich bewähren sollte, ward von seinem Monarchen mit dem
Titel eines Grafen von Eriwan belohnt.
Russisch-türkischer Krieg 1828—1829.
Die russische Politik hatte in Bezug auf die orientalischen Inter¬
essen, seit dem Regierungsantritte des Kaisers Nikolaus, eine gänzliche
Veränderung erfahren. Dieser Monarch, obgleich seinem persönlichen
Charakter nach weniger freisinnig als Alexander I., ließ sich nicht,
wie dieser, von einer Unterstützung der Griechen durch Legitimitäts-
Theorien mit Anwendung auf den Sultan abhalten, und trat, um Vor¬
wand zu einem Bruche mit der Pforte zu finden, mit den schon unter
Alexander I. an sie gestellten, von ihr aber entweder gar nicht oder
immer sehr unvollständig erfüllten Forderungen hervor. In der
Moldau und Walachei sollte den russischen Unterthanen für ihre
durch die Maßregeln türkischer Behörden seit 1821 erlittenen Ein¬
bußen voller Schadenersatz gewährt werden. Die Pforte, welche
einen Krieg gegen Rußland so weit als möglich hinausschieben wollte,
ging den Vertrag von Akjerman (25. September 1826) ein, vermöge
dessen die Hospodare zwar von der Pforte ernannt, aber von ihren
Stellen, ohne Zustimmung des russischen Cabinets, nicht entlassen
werden sollten. Es war natürlich, daß sie fortan ihre Blicke noch
mehr als vorher nach Petersburg richteten, von wo sie Alles zu
hoffen, während sie in Constantinopel nichts mehr zu fürchten hatten.
Die Russen dachten nur daran, wie sie die ihnen gemachten Zuge¬
ständnisse ungebührlich ausdehnen, die Türken, wie sie die geleisteten
Versprechungen möglichst unerfüllt lassen könnten.
Die Türkei befand sich in einer gefährlichen Lage. Seit mehreren
Menschenaltern war ihre innere Zerrüttung mit der nach jedem Frie¬
densschlüsse verminderten äußeren Macht Hand in Hand gegangen.
Die früheren Hebel der Größe waren allmählich Ursachen des Ver¬
falles geworden. Die Janitscharen, einst der Schrecken der Christen¬
heit, jagten jetzt dem Sultan mehr Furcht als seinen Feinden ein.
Ihre Taktik und Disciplin war nicht nur längst hinter dem euro¬
päischen Kriegswesen zurückgeblieben, sondern auch in sich selbst ver¬
fallen. Sie hatten schon seit längerer Zeit sich mehr bei Aufständen
als in Schlachten hervorgethan. Mahmud II. hatte die Ueberzeugung
gewonnen, daß, ohne eine Umgestaltung des Heerwesens, das türkische
Reich einer unausbleiblichen Auflösung entgegenging. Er glaubte
durch den Vertrag von Akjerman den Krieg mit Rußland hinausge¬
schoben, und dadurch Zeit zur Bildung einer neuen Streitmacht, als
Ersatz für die aufzuhebenden Janitscharen, gewonnen zu haben. Am
28. Mai 1827 erschien ein großherrlicher Hattischerif, durch welchen
die Janitscharen zwar nicht aufgehoben, aber die Errichtung eines
regelmäßigen Fußvolkes angeordnet, und den Janitscharen befohlen