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2. Die Lage Europa's im Anfänge der neuesten Zeit.
und somit unmittelbar an England zurück, was für Deutschlands
innere Vereinigung eben nicht vortheilhaft war, da es dadurch in
eine zu nahe Berührung mit diesem Jnselstaate und dessen ihm ganz
fremdartigen und oft feindlichen Interessen gerieth. Denn die Kriege,
die zwischen dem Könige von Großbritannien und andern euro¬
päischen Mächten bis dahin geführt worden, wurden fast immer
zugleich zu Kriegen mit dem Kurfürsten von Hannover. In Be¬
zug auf die innere Verwaltung zeigte sich, daß die hannoversche
Regierung mehr darauf bedacht war, das Alte wiederherzustellen
und festzuhalten, als fortzuschreiten und das Neue zu befördern.
Eine gewisse schonende Milde und Rechtlichkeit, verbunden mit einer
starren Unbeweglichkeit, bildeten wieder den Charakter der hannöver'schen
Regierung.
In Braunschweig kehrte der Sohn des bei Auerstädt gefallenen
Fürsten zurück. Er schloß sich an Hannover an. Auch er suchte
mit einer gewissen Härte das Alte wiederherzustellen. Noch entschie¬
dener zeigte dies Streben der Kurfürst von Hessen, dessen un¬
beugsamer Starrsinn jede Neuerung so entschieden zurückwies, daß
er es verschmähte, ein Großherzog nach neuer Weise zu werden, und
es vorzog, ein Kurfürst nach alter Art zu bleiben. Er führte das
Alte sogar in äußern und unwesentlichen Formen, wie z. B. in
Wiederherstellung der Zöpfe, wieder ein.
Hamburg, Lübeck, Bremen und Frankfurt am Main
wurden für freie Städte erklärt, theils mit Bezugnahme auf die ge¬
schichtlichen Verhältnisse, theils weil man sich über den Besitz dieser
für den Handel Deutschlands so wichtigen Städte nicht einigen
konnte. Sie sind zu klein, als daß sie irgend eine politische Bedeut¬
samkeit haben könnten.
Die helvetische Republik verwandelte sich wieder in den
Bund der schweizer Eidgenossen, der von allen europäischen
Mächten als ein selbständiger europäischer Staat anerkannt, und dem
für immer Neutralität zugestanden ward. Im Wesentlichen blieben
die Verhältnisse, wie sie durch die Mediations-Acte im Jahre 1803
bestimmt und geordnet worden waren. Leider wurden auch die alten
Verträge mit Frankreich erneuert, denen zufolge die freie Schweiz
ihre Söhne in französischen Solddienst gab, ungeachtet sich die öf¬
fentliche Stimme laut und bestimmt dagegen erklärte.
Das neue Königreich der vereinigten Niederlande ward
aus Holland und Belgien gebildet, und dem Hause Oranien über¬
geben. Seiner geographischen Lage nach sollte es zu Deutschland
gehören, dessen militärisches Vertheidigungs-System erst dadurch seine
wahre Stärke und Vollendung erhalten haben würde. Als europäi¬
scher Staat aber war es offenbar zu schwach, um bloß durch die
eigene Kraft seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit Frankreich
gegenüber zu behaupten. Es mußte sich entweder an den deutschen
Bund, oder an England anschließen. In Folge seiner mercantilischen