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24. Die Parteikämpfe in Spanien.
wurde bei seinem triumphirenden Einzuge in Madrid mit fürstlichen
Ehren empfangen, und er, der bis jetzt zu den Moderados gezählt,
trat auf die Seite der Progressisten. Er legte der Königin (die sich
nach Valencia begeben hatte, wo der, ihr ergebene, moderirt gesinnte
General O'Donnel befehligte) sein Programm vor, welches die Auf¬
lösung der Cortes und die Zurücknahme des Ajuntamiento-Gesetzes
enthielt. Marie Christine verschmähte es jedoch, den Kelch der De-
müthigung bis zur Hefe zu leeren, sie beschloß, einer Macht zu ent¬
sagen, deren Schein ihr nur noch geblieben war und die ihr außer¬
dem durch die Abneigung des Volkes gegen sie und die scandalösen
Gerüchte, welche über ihr Privatleben verbreitet v5aren, verleidet
wurde. Die Regentin war nämlich sehr kurze Zeit nach dem Tode
Ferdinand's VII. eine heimliche Ehe mit einem schönen Leibgardisten,
Namens Munoz, eingegangen, den ihre Gunst aus den unteren
Reihen der Gesellschaft emporhob. Diese Verbindung wurde von der
Bosheit feindlicher Parteien rücksichtslos ausgebeutet. So mußte
ihr der Sieg der Revolution eine düstere Zukunft prophezeihen, falls
sie es wagte, sich den Händen der ihr aufgedrängten Räthe und einer
stürmisch aufgeregten Nation anzuvertrauen. Sie legte demnach am
12. October die Regentschaft nieder, beauftragte das Ministerium bis
zur definitiven Entscheidung der Cortes mit deren provisorischen Füh¬
rung und schiffte sich mit Munoz und ihren Kindern zweiter Ehe
nach Frankreich ein, ihre beiden königlichen Töchter der Obhut der
Männer, vor deren Sieg sie zurückgetreten war, überlassend.
Die Progressisten in Madrid bildeten ein Ministerium der provi¬
sorischen Regentschaft bis zur Wahl neuer Cortes. Erst im März
1841 traten die Cortes zusammen, und beide Häuser wählten in ge¬
meinschaftlicher Abstimmung Espartero zum Regenten Spa¬
niens und zum Vormund der jungen Königin und ihrer Schwester,
der Infantin Luisa Fernanda. Seine Lage aber war eine höchst
schwierige: die siegreiche progressistische Partei spaltete sich allmählich
in eine jung-progkessistische, welche sich in den Kämpfen seit dem
Tode Ferdinand's VII. gebildet hatte, und die der Altliberalen von
1812, zu denen sich der Regent hinneigte; zu seinem Unglücke konnte
er keinen fähigen Finanz-Minister finden, der dem Lande aus dem
Zustande des tatsächlichen Bankerotts heraushalf (wozu selbst der
Verkauf der sauf 2 Milliarden Realen geschätzten) geistlichen Güter
nicht hingereicht hatte) und den Staatscredit herzustellen verstand.
Er reducirte zwar das im Bürgerkriege auf 250,000 Mann ange¬
wachsene Heer allmählich um die Hälfte, glaubte aber den feindlichen
Parteien gegenüber seine Macht nicht zu sehr schwächen zu dürfen,
und da er bei dem noch immer großen Bestände der Truppen für
deren Sold und Bedürfnisse nicht in ausreichender Weise sorgen
konnte, so hatte er an der unzufriedenen Armee ein unzuverlässiges
und sogar gefährliches Werkzeug. Aehnliche Rücksichten hinderten
ihn an einer energischen Reform des Steuersystems. Jede neue Auf¬