24. Die Parteikämpfe in Spanien.
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checo's, den König zu gewinnen, wieder mit seiner Gemahlin zusam¬
menzuleben, scheiterten völlig. Er verlangte die Entfernung Ser-
rano's, die Jsabella verweigerte. Narvaez traf am 27. August in
Madrid ein, nachdem er zuvor mit Ludwig Philipp und Christine,
welche die Noth zu seinen Verbündeten machte, obwohl sie sich gegen¬
seitig weder verziehen noch trauten, in Berathung getreten war. Seine
Bemühungen beim Könige waren vergeblich und Jsabella verwarf
die Liste der Männer, die er Behufs Bildung eines Ministeriums ihr
vorlegte. Der schlaue und ränkevolle Banquier Salamanca erhielt
den Auftrag, ein neues Cabinet zu bilden, was ihm schon am
1. September gelang. Ein Decret vom 28. September hob die
Suspension des Verkaufs der geistlichen Güter wieder auf, eines vom
folgenden Tage verordnte den Verkauf der Gemeindegüter, ein drittes
änderte die Organisation der Verwaltung um, Alles Acte, welche die
vorherige Zustimmung der Cortes erheischten. Jeden Tag erwartete
man die Auflösung derselben und die Anordnung neuer Wahlen.
Die Hoffnungen der Progressisten schienen der Erfüllung nahe, die
Sache der Moderados verloren. Da plötzlich machte am 4. October
die Gaceta zum Staunen aller Welt Salamanca's Entlassung und
die Einsetzung eines (dritten) Ministeriums Narvaez bekannt.
Unter seinen eigenen Collegen hatte jener die Verräther gefunden und
Serrano selbst die Hand zum Sturze seines Schützlings geboten.
Ueber die näheren Ursachen dieser Katastrophe, die Salamanca selbst
am Abend des 3. October ganz unvorbereitet überraschte, schwebt, wie
über vielem in der neuesten Geschichte Spaniens, noch ein Geheim-
niß. War die Königin Serrano's müde oder war das Gerücht be¬
gründet, das diesem einen Nebenbuhler in ihrer Gunst in dem espar-
teristischen Obersten Gandara setzte, dem er begegnen wollte? Narvaez
faßte den trefflichen Entschluß, den Abgrund der Revolution für sein
vielgeprüftes Land zu schließen, die Parteien, so weit dies möglich,
zu versöhnen, die Constitution endlich zur Wirksamkeit und Aus¬
übung zu bringen. Die ungesetzlichen Decrete Salamanca's wurden
sofort zurückgenommen. Serrano verließ Madrid und ging als Ge-,
neral-Capitän nach Granada, begleitet von den gehässigsten Beschul¬
digungen der Progressisten. Der König,' bei welchem Narvaez und
der päpstliche Nuntius einen gemeinschaftlichen Schritt thaten, kehrte
nach Madrid zurück und bezog den Palast wieder. Aeußerlich war
das Verhältniß zwischen den hohen Ehegatten hergestellt und ein
Aergerniß beseitigt, das den Thron, wenigstens den constitutionellen,
in Spanien gefährden konnte. Am 14. October traf Marie Christine,
die sofort von Narvaez, ohne Vorwissen Jsabella's, dazu aufgefordert
war, in Madrid ein. Sicher ist Narvaez nur der unabweislichen
Nothwendigkeit bei Zurückrufung der Königin-Mutter gewichen. Er
war im Uebrigen nach Kräften bemüht, sowohl ihren, als den fran¬
zösischen Einfluß — er gedachte überhaupt Spanien von der lästigen
und kränkenden Vormundschaft der fremden Diplomatie zu befreien