35. Die verfassunggebenden Versammlungen in Deutschland.
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Verfassung der nordamerikanischen Freistaaten, also Aufhebung der
erblichen Monarchie. Sie trug auf Ernennung eines Vollziehungs-
Ausschusses an, der bis zur Eröffnung der constituirenden Versamm¬
lung zusammenbleiben, die erforderlichen Gesetzesvorlagen entwerfen
und das große Werk der Wiederherstellung Deutschlands vorbereiten
sollte. Die Anträge der republikanischen Partei wurden nach stür¬
mischen Debatten abgewiesen. Dagegen ward mit großer Einmüthig-
keit beschlossen, Schleswig, als mit Holstein national und staats¬
rechtlich unauflösbar verbunden, und Ost- und Westpreußen in den
Deutschen Bund aufzunehmen und durch Abgeordnete in der Rational-
Versammlung vertreten zu lassen. Die directe Wahl der Abgeord¬
neten (auf je 50,000 Seelen einer) ward im Princip anerkannt, dabei
aber den einzelnen Staaten die Freiheit gelassen, in diesem Punkte
nach Bedürfniß zu handeln. Im Uebrigen sollte die Wahl von
Census, Glaubensbekenntniß und Standesverhältniß unabhängig sein.
An die Stelle des bisherigen Bundestages wollte man ein einheit¬
liches Bundes-Oberhaupt ernennen und demselben eine Reichsver¬
sammlung, bestehend aus einem Senate und einem Volkshause, zur
Seite setzen.
Die republikanische Partei wollte, weil sie auf dem Wege der
freien Berathung und Beschlußnahme mit ihren Grundsätzen nicht
durchdringen konnte, ihre Zwecke durch Aufwiegelung der Massen
erreichen. Hecker und Struve zogen mit einigen ihrer Anhänger
eine Zeit lang in Baden hin und her, und hielten Volksversammlun¬
gen, bei denen die Republik ausgerufen wurde, waren aber nicht
im Stande, eine bewaffnete Macht aufzubringen, die geeignet gewe¬
sen wäre, einen tüchtigen Kern für ein Volksheer zu bilden, um im
Nothfalle den Angriffen der süddeutschen Regierungen zu widerstehen.
Ein Bruder Heinrich's v. Gagern, der General Friedrich v. Gagern,
der früher in niederländischen Diensten gewesen, ward an die Spitze
eines heffen-darmstädtischen Corps gestellt, um die Ruhe mit Gewalt
wieder herzustellen. Auf die badischen Truppen glaubte man schon
damals sich nicht ganz verlassen zu können. Am 20. April stieß
Gagern bei Kandern auf Hecker und dessen Freischaaren. Gagern
suchte dieselben in persönlicher Ansprache zur Niederlegung der Waf¬
fen und Unterwerfung unter die Gesetze zu bewegen. Aber seine
Worte brachten keinen Eindruck hervor. Als er im Begriffe war,
zu seinen Truppen zurückzukehren, ward von den Freischaaren auf
ihn verräterischer Weise geschossen, und er sank, von drei Kugeln
durchbohrt, entseelt nieder. Seine Soldaten rächten den Tod ihres
Führers, indem sie auf die Freischaaren eindrangen, die in großer
Eile entflohen, aber doch eine Anzahl Todte zurückließen. Hecker
entkam, Struve ward bei Säckingen von den bis zum Rheine vor¬
gerückten Württembergern gefangen, die ihn aber bald wieder frei
ließen. Die Baiern besetzten Konstanz und machten dort der repu¬
blikanischen Bewegung ein Ende. Erst als Hecker und Struve mit