46. Die Kämpfe in Mittel- und Unteritalien.
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gewicht gegen dessen Vergrößerung, erhielt Frankreich (April 1860)
das Stammland der Dynastie, Savoyen, nebst der Grafschaft Nizza.
Gleichzeitig war ein Aufstand in Sicilien (in Palermo am
4. April, in Messina am 8. April) ausgebrochen gegen den trotz aller
Warnungen der Großmächte fortdauernden, strengen Absolutismus
der neapolitanischen Regierung, in welcher der junge König Franz II.
seinem Vater Ferdinand II. (22. Mai 1859) gefolgt war. Die Auf¬
ruhrer wurden von den königlichen Truppen aus den Städten ge¬
drängt und zogen sich ins Innere zurück. Diesen Aufstand benutzte
Garibaldi, um die Einheitsbestrebungell auch im Süden Italiens
zu verbreiten. Am 5. Mai 1860 schrieb er Victor Emanuel, er
habe seinen Brüdern in Sicilien nicht den Rath zum Aufstande er-
theilt; da sie sich aber erhoben hätten, so zögere er nicht, die Leitung
der Erhebung zu übernehmen; erreiche er seinen Zweck, so werde er
stolz darauf sein, die Krone des Königs mit einem neuen Juwel zu
schmücken. In der folgenden Nacht verließ er mit mehr als 1000
Freiwilligen Genua, zum Schein ohne Wissen und gegen den Willen
der sardinischen Regierung, und landete am 11. unter dem Schutze
zweier englischer Corvetten bei Marsala an der Westküste Siciliens,
zog die zerstreuten Schaaren der Insurgenten an sich und unternahm,
durch fortwährende Zuzüge verstärkt, die Belagerung von Palermo
gegen die fünffach überlegene Macht (25,000 Mann) des Generals
Lanza, welche den Hafen und alle festen Punkte der Stadt in Besitz
hatte. Aber das Volk in der Stadt erhob sich für Garibaldi. Ver¬
gebens begannen die Citadelle und die (8) Kriegsschiffe im Hafen
ein furchtbares Bombardement, welches einen großen Theil von Pa¬
lermo in einen Trümmerhaufen verwandelte. Lanza mußte capituli-
ren und sich mit allen Truppen nach Neapel einschiffen, ebenso Ge¬
neral Clary, der Befehlshaber von Messina.
Nachdem Garibaldi die Eroberung Siciliens vollendet hatte,
ging er, ungehindert durch die in der Meerenge kreuzende neapoli¬
tanische Flotte, mit 5000 Mann nach dem Festlande von Neapel
über. Ueberall flohen die königlichen Truppen oder gingen zu ihm
über, überall erhob man die Fahne der Revolution mit dem Rufe
nach einem einigen Italien. Dem Könige Franz II., der zu spät
ein freisinniges Ministerium berufen und die Verfassung von 1848
hergestellt hatte, blieb nichts übrig, als seine Hauptstadt zu verlassen
und sich unter dem Schutze einer kleinen spanischen Escadre nach
Gaeta einzuschiffen. Nur eine neapolitanische Fregatte begleitete ihn,
alle übrigen zur Flotte gehörigen Schiffe, die im Hafen lagen, hatten
sich geweigert, ihren König aufzunehmen. Am folgenden Tage (7.
September) traf mit einem Extrazuge Garibaldi in Neapel ein, wie
immer in einer rothen Blouse, den Filzhut auf dem Haupte; das
Volk empfing ihn mit allgemeinem Jubel, von allen Häusern wehte
die dreifarbige Fahne mit dem savoyschen Kreuz, drei Tage lang
dauerten die glänzendsten Feste. Garibaldi übernahm, wie in Sici-