Full text: Für mittlere Klassen (Theil 2, [Schülerband])

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5. Heinrich auch, der Ofterdinger, 
Ist in ihrer stummen Schaar, 
Mit den liederreichen Lippen, 
Mit dem blondgelockten Haar. 
6. Seine Harfe ruht dem Sänger 
In der Linken ohne Klang, 
Doch auf seiner hohen Stirne 
Schläft ein künftiger Gesang. 
7. Alles schweigt, nur hin und 
wieder 
Fällt ein Tropfen vom Gestein, 
Bis der große Morgen plötzlich 
Bricht mit Feuersglut herein; 
8. Bis der Adler stolzen Fluges 
Um des Berges Gipfel zieht, 
Daß vor seines Fittichs Rauschen 
Dort der Rabenschwarm entflieht. 
9. Aber dann wie ferner Donner 
Rollt es durch den Berg herauf, 
Und der Kaiser greift zum Schwerte, 
Und die Ritter wachen auf. 
10. Laut in seinen Angeln tönend 
Springet auf das ehr'ne Thor; 
Barbarossa mit den Seinen 
Steigt im Waffenschmuck empor. 
11. Auf dem Helm trägt er die Krone 
Und den Sieg in seiner Hand; 
Schwerter blitzen, Harfen klingen, 
Wo er schreitet durch das Land. 
12. Und dem alten Kaiser beugen 
Sich die Völker allzugleich, 
Und aufs neu' zu Aachen gründet 
Er das heil'ge deutsche Reich. 
E. Geibel. 
38. Deutscher Srauch. 
1. Zur Gruft sank Kaiser Friedrich. Gott geb' ihm sanfte Ruh! 
Map faßt sein gülden Scepter; ei, Sonnenaar, Glück zu! 
Zu Worms nun hielt er Reichstag; auf, Fürstenschaar, herbei, 
Zu rathen und zu fördern, daß Recht und Licht gedeih! 
2. Einst in dem dumpfen Rathsaal sprang Max empor in Hast; 
Der Staub der Pergamente nahm ihm den Odem fast, 
Die spitzen, klugen Reden, die machten toll ihn schier, 
Da rief er seinem Narren: „Freund Kunze, komm mit mir!" 
3. Den Treuen liebt' er vor allen, wohl einem Gärtner gleich,! 
Der jeden Baum mit Liebe pflegt in dem Gartenreich, 
Doch einen sich erkoren, in dessen Schattenhut 
Nach schwüler Tagesmüh' er am liebsten abends ruht. 
4. Es wallten nun die Leiden die Straßen ein und aus, 
Dort auf dem großen Marktplatz sahn sie ein stattlich Haus. 
Da rief der Kunz: „Mein König, schließt Eure Augen schnell! 
Denn, traun, schon las manch einer sich blind an dieser Stell'. 
5. Französisch ist's; Ihr wißt ja, wie's Frankreichs Söhne treiben, 
Die anders schreiben als sprechen, und anders lesen als schreiben, 
Und anders sprechen als denken, und anders setzen als singen, 
Die groß in allem Kleinen, und klein in großen Dingen." 
6. Ein Rittersmann aus Frankreich wohnt in dem stolzen Haus, 
Sein Wappenschild, hellglänzend, hängt hoch zur Pfort' heraus; 
Mit Schnörkelzügen zierlich in blankem Goldesschein 
Schrieb rings ums bunte Wappen er diese Worte ein: 
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