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Heinrich II.
ein Heer gegen die Römer, indem er alle seine Getreuen aufforderte, die
ihm angethane Schmach zu rächen. Die Römer ließen nun zwar die ein¬
geschlossenen Leute des Kaisers frei und baten um Frieden, aber der Kaiser'
traute ihnen nicht. Er verheerte die Umgegend und setzte die Rüstungen
fort; denn er wollte Rom, Unteritalien und die Saracenen bekämpfen. Er
erwartete ein zahlreiches Heer aus Deutschland; aber der Zuzug war min¬
der stark,_ als er erwartet hatte; denn der Erzbischof Willigis von Mainz,
der Ottos übertriebene Vorliebe für Italien, seine Geringschätzung Deutsch¬
lands und Entfremdung gegen deutsche Fürsten mißbilligte, wirkte ihm mit
andern Bischöfen und Herzögen entgegen.
12. Da starb Otto HI. plötzlich am 24. Januar zu Castell Paterno
erst 22 Jahr alt, nicht an Gift, sondern an den Blattern oder Frieseln.
Die Nachricht von seinem Tode wurde eine Zeit lang verheimlicht, bis die
zerstreuten Schaaren der Deutschen sich gesammelt hatten. Dann führten
die Getreuen unter fortwährenden Angriffen den einbalsamirten Leichnam
bis Verona, von da über Augsburg und Cöln nach Aachen, wo er am 5.
April 1002 im Chor der Münsterkirche beigesetzt wurde. Wie zwischen dem
Papste und den Römern eine Versöhnung ftattgefunden habe, wissen wir
nicht, sondern nur, daß auch der Papst Sylvester H. schon am 12. Mai
1003 starb und im Lateran beerdigt wurde. Otto III. war durch seine
Mutter und Tante, sowie durch seine Lehrer frühzeitig zur Frömmigkeit an¬
gehalten, aber es war ihm dabei zugleich eine zu hohe Meinung von der
Erhabenheit seiner Stellung beigebracht. Er war tapfer und unternehmend,
aber zu hochstrebend. Durch seine Umgebung, sowie durch seine Bildung
dem deutschen Reiche und deutschen Wesen fast fremd geworden, sank er,
wahrscheinlich zu seinem Glücke, früh in's Grab.
3. Heinrich II., der Heilige 1002—1024
§. 60. Heinrich II. unterwirft seine Gegner in Deutschland, zieht zum ersten Male
nach Italien und sichert die Reichsgrenzen.
1. Da Otto III. kinderlos gestorben war, und mit ihm Otto's I. ganze
männliche Nachkommenschaft ins Grab gesunken war, hatte vermöge seiner
Abstammnng die nächsten Ansprüche auf die Krone Herzog Heinrich von
Bayern, der Sohn des Zänkers, und Urenkel Heinrich's l. Aber das
Recht zur Wahl eines deutschen Königs hatten die deutschen Fürsten und
es stand noch nicht einmal fest, daß der Sohn dem Vater auf dem Throne
folgen müsse, und noch viel weniger, daß die Nachfolge auf dem Throne
bei dem Ableben eines kinderlosen Königs dem nächsten Seitenverwandten
männlicher Abstammung gebühre. Deshalb.bewarben sich auch der Herzog
Hermann von Schwaben, sowie der tapfere Eckhard von Meißen um den
deutschen Thron. Aber Heinrich von Bayern wußte die Neichskleinodien zu
erlangen und seine Gegner zurückzudrängen. Als nämlich die Leiche Otto'S
III. über die Alpen gebracht wurde, empfing sie Heinrich am Ammersee und
begleitete sie bis nach Augsburg. Don den bei dem Zuge anwesenden Für¬
sten suchte er das Versprechen zu erlangen, daß sie ihn zum Könige wählen
wollten, bemächtigte sich durch Versprechungen und Drohungen der ReichS-
insignien und zwang den Erzbischof Heribert von Cöln zur Auslieferung der
Eiligen Lanze, welche dieser heimlich vorausgeschickt hatte, und welche durch
'N Gebrauch eine besondere Wichtigkeit erlangt hatte. Diese Lanze
welcher der Sage nach die Seite des Erlösers durchstochen