Full text: Die deutsche Geschichte für Schule und Haus

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Der Bauernkrieg. 
begriff im Zusammenhänge dar und diente so zu dessen Ausbreitung unter den Stn- 
direnden und Gelehrten. Sie fanden hier beisammen, was in Luther's Schriften 
zerstreut war. 
§. 104. Der Bauernkrieg. 
1. Ernsthafter und verderblicher, als die durch Carlsiadt veran¬ 
lagten stürmischen Auftritte in Wittenberg, waren die bald darauf 
folgenden Anfställde der Bauern, welche einen großen Theil Deutsch¬ 
lands, namentlich Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen und die 
Rheingegenden mit allen Gräueln der Verwüstung erfüllten. Schon 
um den Anfang des 16. Jahrhunderts hatten sich die Bauern in ver¬ 
schiedenen Gegenden Deutschlands gegen den harten Druck, der auf 
ihnen lastete, massenweise erhoben, waren aber nach kurzem Widerstande 
auf's neue unterworfen und hart gezüchtigt worden. All die Abstellung 
ihrer zum Theil gerechten Beschwerden und an eine Verbesserung ihres 
Zustandes dachte Niemand, und so blieb der Grund zu neuen Unruhen 
bestehen. Der stille Grimm, den das Landvolk gegen Fürsten und 
Adel nährte, erhielt einen Anlaß, in Aufruhr auszubrechen, als Lu¬ 
thers Sache eine ungeheure Gährung der Gemüther hervorbrachte und 
er selbst den weltlichen Obrigkeiten wegen ihres harten Regiments 
manches herbe Wort sagte. Das weltliche Regiment der Bischöfe und 
Aebte aber erschütterte er völlig, indem er ihr geistliches Amt verwarf, 
behufs dessen sie das weltliche bekommen hatten. Wer mochte nun den 
bedrückten Bauern verargen, sich von dem Wahne bethören zu lassen, 
als bringe ihnen das freie Evangelium auch die leibliche Freiheit von 
Knechtschaft und Unterdrückung? Dazu kam, daß protestantische Pre¬ 
diger, wie Carlsiadt und Thomas Münzer, die Provinzen durchzogen 
und die Bauern in ihrem Jrrthume bestärkten. Daher erhoben sich, 
wie nach gemeinsamer Verabredung, in verschiedenen Theilen Deutsch¬ 
lands die Bauern gegen den Adel und gaben der Lehre von der evan¬ 
gelischen Freiheit und dem freien Gebrauche der Schrift, womit Luther 
unter dem Beifalle der Fürsten, Ritter und städtischen Obrigkeiten die 
geistliche Herrschaft angegriffen und erschüttert hatte, eine Anwendilng, 
durch welche das weltliche Regiment, gleich dem Priesterthume, aus den 
Fugen gerissen und in Trümmer gestürzt werden mußte. 
2. Zuerst erhoben sich die Bauern im südlichen Deutschland, wo 
der Anblick der freien Schweizer, welche, der Herrschaft des Adels ent¬ 
ledigt, von ihren Obrigkeiten mit keinen außerordentlichen Steuern be¬ 
legt wurden, die Gemüther noch mehr reizte. Im Jahre 1524 empör¬ 
ten sich in der Gegend von Constanz die Bauern wider den Abt zu 
Reichenau, weil er ihnen keinen protestantischen Prediger zulassen 
wollte, und um das Städtchen Tengen versammelten sich mehrere Tau¬ 
sende, um einen gefangenen Geistlichen frei zu machen. Diesen ersten 
Bewegungen folgten bald andere, heftigere. Am 1. Januar des Jahres 
1525 wurde der Abt zu Kempten von dem Landvolke, mit welchem sich 
die Stadtbewohner vereinigt hatten, überfallen und nach Ausplünderung 
seines Closters gezwungen, durch einen Vertrag den Rechten, welche 
man ihm streitig machte, zu entsagen. Dies Beispiel reizte die Nach¬ 
barn zur Nachahmung. In den Gebieten der nahe wohnenden Bischöfe 
und Aebte, bald auch der Grafen und Herren, sammelte sich alles 
Landvolk in bewaffneten Haufen. Der fchwäbifche Bund suchte die
	        
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