Full text: Die deutsche Geschichte für Schule und Haus

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Die Wiedertäufer. 
§. 107. Die Wiedertäufer in Münster. 
1. Die schwärmerische, Secte der Wiedertäufer, welche gleich im An¬ 
fänge der Reformation hervortrat und alle Grundlagen der bürgerlichen 
Ordnung zu zerstören drohete, hielt die Taufe der Kinder für schriftwidrig. 
Nur erwachsenen Personen, lehrten sie, könne das Sacrament gültig ertheilt 
werden. Deshalb nahmen sie an den Personen, welche bereits als Kinder ge¬ 
tauft worden waren, nochmals die Taufe vor und wurden daher „Wieder¬ 
täufer" genannt. Zugleich hatten sie den abenteuerlichen Plan gefaßt, ein 
ganz neues christliches Reich aufzurichten, in welchem völlige Gleichheit 
herrschen und die Erwachsenen durch eine nochmalige Taufe sich zu Bür¬ 
gern desselben einweihen lassen sollten. Diese seltsame Seite, welche von 
den deutschen Regierungen beiderlei Confession, besonders aber in den ka¬ 
tholischen Ländern, mit aller Strenge verfolgt war, schien seit der Hinrich¬ 
tung des Thomas Münzer ausgerottet, als sie plötzlich zu Münster in West¬ 
falen auf eine furchtbare Weife wieder hervortrat. 
2. In Münster gab es damals, wie allerwärts und zu jeder Zeit, 
eine Claffe Menschen, welche, mit dem Bestehenden unzufrieden, nach Neue¬ 
rung trachtete, und den eigentlichen Grund ihrer Armuth nicht in der eige¬ 
nen Trägheit und Schlemmerei, sondern in äußern Verhältnissen und in 
dem Reichthume einzelner Stände suchte, welche deshalb lüstern wurde nach 
fremden Gute, und jede obrigkeitliche Gewalt, die den ruhigen Besitz des 
Eigenthums zu schützen und jeden Frevel und jede Ausschweifung zu strafen hat, 
als unnatürliche Tyrannei verabscheuete. In diese unsaubern Schichte war¬ 
fen vier protestantische Prediger und einige Lehrer den ersten zündenden 
Funken, indem sie mit großer Kühnheit die guten Werke verdammten, dem 
Volke eine ausgelassene, sogenannte evangelische Freiheit erlaubten, unver¬ 
schämt auf die Geistlichen schmäheten, und ihre Zuhörer überredeten, sie 
könnten ungestraft gegen dieselben Alles unternehmen. Ohne läng rn Ver¬ 
zug wurde mit dem „gottseligen Werke" der Anfang gemacht. Nachdem einige 
Hauptmüßiggänger erfahren hatten, daß ihre Verwegenheit sehr bequem den 
Hunger und Durst stillte und ungestraft hinging, drangen sie in die Clöster 
ein und baten theils höflich um Speise, theils forderten sie mit rohem Un¬ 
gestüm; endlich verabredeten sie einen nächtlichen Ueberfall eines reichen 
Frauenclosters. Der Anschlag mißlang und die Urheber des beabsichtigten 
Raubes wurden am folgenden Tage auf das Rathhaus geführt. Aber alle 
Handwerker stellten sich unter einem fürchterlichen Geschrei vor demselben 
auf, um jene zu vertheidigen. Von Furcht und Schrecken ergriffen, aab 
der Magistrat die Aufrührer frei. 
3. Das Volk hatte erfahren, daß es durch Einschüchterung Manches 
ertrotzen könne, und so wurde die Gährung immer größer, namentlich als 
Bernard Rothmann, Caplan an der St. Maurizkirche, mit dem Feuereifer 
eines Schwärmers (23. Febr. 1532) die neue Lehre auf dem Lamberti- 
Kirchhofe predigte und das Volk in eine solche Wuth versetzte, daß es 
schaarenweise in die Kirchen eindraug und Altäre und Heiligenbilder scho¬ 
nungslos zerstörte und vernichtete. In Folge dessen wurde die Aufregung 
so allgemein, daß der Bischof von Münster, Friedrich von Wied, sich zu 
schwach fühlend, dem Sturme Widerstand zu leisten, sein Amt zu Gunsten 
des Bischofs Erich von Paderborn und Osnabrück niederlegte. Da dieser 
chon nach ewigen Wochen starb, so wählte das Domcapitel am 1. Juni 
1532 den Grafen Franz von Waldeck zum Bischöfe. 
4. Franz suchte die Unruhen in Güte beiznlegen, allein der Magistrat,
	        
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