Full text: Die deutsche Geschichte für Schule und Haus

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Rudolf II. 
den Protestanten auf dem Reichstage vorgetragenen Beschwerden beträfen, Zu¬ 
sammenhalten, die Erörterung dieser Beschwerden gemeinschaftlich betreiben, 
und im Fall eins der Mitglieder angegriffen werde, Maßregeln zu seiner 
Vertheidigung ergreifen wollten, wenn die deshalb zu versuchende Verwcn- 
'dung ohne Erfolg bliebe. Das Directorium wurde für Friedenszeiten dem 
Churfürsten von der Pfalz übertragen, im Kriege sollte dasselbe jedem be¬ 
schwerten Reichsstande selbst in seinem Lande zustehen. Nach kurzer Zeit 
traten der Pfalzgraf von Zweibrücken sowie mehrere Reichsstädte im süd¬ 
lichen Deutschland der Union bei. 
12. Im folgenden Jahre (1609), am 25. März starb der Herzog 
Johann Wilhelm von Cleve, ohne männliche Erben zu hinterlassen. Daher 
brach ein wichtiger Erbfolgestreit aus; denn Sachsen, Brandenburg, Pfalz- 
Neuburg und andere machten Ansprüche auf die schönen Länder am Nieder¬ 
rhein, Jülich Cleve und Berg, sowie die Mark in Westfalen und die Graf¬ 
schaft Ravensberg. Von den Schwestern des verstorbenen Herzogs war die 
älteste, Marie Eleonore, an den Herzog Friedrich Albrecht von Preußen 
vermählt, ihre nachgelassene Tochter Anna aber an den Churfürsten Johann 
Sigismund von Brandenburg. Die zweite. Schwester des verstorbenen 
Herzogs war die Gemahlin des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg, 
welcher behauptete, da Marie Eleonore ohne männliche Nachkommen gestor¬ 
ben sei, so sei sein Sohn Wolfgang Wilhelm der einzige, rechtmäßige Erbe. 
Brandenburg dagegen stützte seine Ansprüche auf einen von Carl V. bestä¬ 
tigten Hausvertrag, der auch Töchtern die Erbfolge sicherte. Sachsen und 
andere leiteten ihre Ansprüche ebenfalls aus der Verwandtschaft mit dem 
verstorbenen Herzoge her und wollten dessen Länder theilen. 
13. Ehe noch der Kaiser entscheiden konnte, setzten sich Pfalz-Neuburg 
und Brandenburg in Besitz. Da keiner den Andern gleich verdrängen zu 
können glaubte, so schlossen sie einen vorläufigen Vergleich mit einander, nach 
welchem sie bis zur endlichen Rechtsentscheidung das Land gemeinsam ver¬ 
walten lassen und gegen jeden Dritten schützen wollten. Dieses eigenmäch¬ 
tige Verfahren beleidigte den Kaiser Rudolf II., der auf das Ganze als 
erledigtes Reichslehen gleichfalls Ansprüche zu haben glaubte. Deshalb 
protestirte er gegen den Vergleich und beauftragte seinen Bruder Leopold, 
der Bischof von Passau und Straßburg war, die Provinzen vorläufig bis 
nach rechtlicher Entscheidung zu besetzen. Da es ihm gelang, Jülich einzu¬ 
nehmen, so schloß die Union mit Heinrich IV. von Frankreich (10. Febr. 
1610) ein förmliches Bündniß, dessen nächster Zweck die Vertreibung der 
Oesterreicher aus Jülich, dessen letzter die Unterdrückung des Hauses Hüb§- 
burg und die Umgestaltung von ganz Europa war. 
14. Dieser Bund war um so furchtbarer, da sowohl ein kräftiger 
Führer, Heinrich IV., an der Spitze stand, als auch die mächtigsten deut¬ 
schen Fürsten und Städte an denselben sich angeschlossen hatten. Und bic- 
ser Macht gegenüber stand der in Regierungsgeschäften träge Rudolf II. 
Nur der einzige Maximilian von Bayern batte sich gerüstet, das Schicksal 
Europa's aufzuhalten. Schon im Juli 1609 hatte er gegen die protestan¬ 
tische Union drei geistliche Churfürsten und mehrere Bischöfe und Prälaten 
in Schwaben und Franken zu einem Bunde vereinigt, welcher die Liga 
genannt wurde. Allein als der Kampf losbrach, und die Unirten die frän¬ 
kischen und rheinischen Bisthümer heimsuchten und brandschatzten, Mb 
Maximilian ruhig zu Hause. Schon erwarteten die Unirten siegestrunken 
das bereits marjchfertige französische Heer, als Oesterreich's und Deutsch- 
land's beinahe unvermeidliches Schicksal, in Frankrcich's Gewalt zu gera-.
	        
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