86 Ausbreitung des Christenthums in Deutschland.
Arme sinken zu lassen. Die GotteSurthcile oder Ordalien kamen jedoch seltener vor ;
am gewöhnlichsten war der Beweis durch Eidcshelfer.
§. 39. Ausbreitung deS Christenthums in Deutschland.*)
1. Während die Gothen, LongoLarden, Burgunder und Franken
schon früher das Christenthum angenommen hatten unb dasselbe tu
England und Irland bei den Nachkommen jener Angelsachsen, welche
im fünften Jahrhunderte aus dem nördlichen Deutschland dorthin ein¬
gewandert waren, im siebenten Jahrhunderte schon die schönsten Blü-
then trieb, saßen die im deutschen Stammlande zurückgebliebenen Völ¬
kerschaften noch in der Finsterniß des Heidenthums. Da wanderten
zuerst aus den irischen und dann aus den angelsächsischen Clöstern be¬
geisterte Männer über die See nach dem Lande ihrer Väter, nach Frics-
laud und nach Altsachsen, um auch hier das Licht des ChristenthumS
zu verbreiten. Ein volles Jahrhundert arbeitete Irland und England
mit vereinten Kräften an der Bekehrung der deutschen Völkerschaften.
So viele der muthigen Glaubensboten auch dahinsanken, ohne den Lohn
ihrer Mühe zu ernten, immer neue, immer eifrigere Apostel gingen
aus den irischen und angelsächsischen Clöstern hervor und zogen hin¬
aus in die deutschen Wälder, um den Brüdern, die noch unter den
Greueln des Heidenthums seufzten, die Segnungen des Christenthums
zu bringen, um dort Clösier, Kirchen und Schulen zu gründen und
christliche Bildung und Sitte zu verbreiten.
2. Nachdem schon gegen das Ende des sechsten und im Anfänge
des siebenten Jahrhunderts der h. Columban nebst seinem Gefährten,
dem h. Gallus, den Alemannen und Helvetiern, und der h. Kilian mit
seinen Genossen am Main und der h. Emmeran im südlichen Bayern
das Evangelium verkündet hatten, folgten diesen Irländern eine Reihe
von Angelsachsen, die im nördlichen Deutschland das Kreuz auspflanz-
ten. Der erste dieser Glaubensboten war Wilsrid, Bischof von Pork
in Northumberland, welcher auf seiner Fahrt nach Nom an die frie¬
sische Küste verschlagen wurde und hier die erste christliche Gemeinde
stiftete. Als er bald daraus nach England zurückkehren mußte, veran¬
laßt er Andere, das von ihm begonnene Werk in Friesland fortzusetzen.
So schiffte im Jahre 691 der h. Willibrod mit zwölf Genossen aus
England nach der deutschen Küste hinüber, um die Friesen, die da¬
mals eben der fränkischen Herrschaft unterworfen wurden, zumChristen-
thume zu bekehren. Sein unermüdlicher Eifer hatte den günstigsten
Erfolg. Er wurde bald nachher vom Papste zum Bischöfe des neu¬
gegründeten Bisthums Utrecht geweiht, welches von da an der Ver-
einigungspunct aller Missionäre wurde, so daß von dort aus das Licht
des 'Glaubens nicht allein in Friesland, sondern auch über die benach¬
barten sächsischen Gaue verbreitet ward, indem sowohl in der zu Ut¬
recht selbst gegründeten Erziehungsanstalt junge Männer zu Glanbens-
boten herangebildet wurden, als auch fortwährend ans England fromme
Männer zum Bischöfe Willibrod herüberkamen, um die stammver¬
wandten Friesen zum christlichen Glauben zu führen. Unter diesen
letztem war auch ein angelsächsischer Mönch, Winfried, oder wie er
später genannt wurde, der h. Bonifacius.'
*) Vergl. Seiters, BonisaciuS, der Apostel der Deutschen. Mainz, 1845.