Object: Weltgeschichte in funfzig Lebensbildern

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ven und ganz besonders die Ungarn (Nachkommen der Hunnen) 
Deutschland beunruhigt, geschwächt und geplündert; so geschah es 
jetzt in bei Weitem ärgerem Maße, so daß diese zwölf Jahre unter 
Ludwig dem Kinde leicht die unglücklichsten gewesen sein mögen, 
die je über unser Vaterland gekommen sind. Seit lange schon 
konnten die deutschen Könige das Land gegen die äußeren Feinde 
nicht mehr schützen, sie mussten daher ganz froh sein, wenn die 
einzelnen Völkerstämme, welche gerade angriffen oder bedroht wa¬ 
ren, aus ihrer eigenen Mitte sich kräftige Anführer wählten, die 
vor ihnen Herzogen wider den Feind, und sich wo möglich selbst 
vertheidigten. .Zwar waren diese Herzöge zunächst nur Diener und 
Stellvertreter ihres Königs; allein je schwächer die Könige waren, 
desto mehr rissen die Herzoge von der königlichen Gewalt an sich, 
so daß sie, zumal nachdem sie ihre Würde sammt dem Reichsgute, 
welches sie ursprünglich als Besoldung für ihr Amt erhalten hat¬ 
ten, in ihren Familien erblich gemacht hatten, nur noch einen klei¬ 
nen Schritt brauchten, um sich zu ganz unabhängigen Fürsten ih¬ 
rer Länder zu machen. Sie thaten das aber nicht aus Liebe zum 
gemeinschaftlichen Vaterlande, sie erkannten, daß dasselbe nur durch 
Einheit und unter Einem gemeinschaftlichen Führer seine hohe 
Stellung gegen Außen wieder erringen und behaupten könne. 
Man darf sich nicht wundern, daß die schönen Anfänge, welche 
Karl der Große in Erziehung und Bildung des Volkes gemacht 
hatte, unter so schwachen Nachkommen und in so unruhigen Zeiten 
nur hier und da weiteren Fortgang hatten, daß im Ganzen wieder 
Rohheit, Unwissenheit und Aberglaube eingerissen waren, daß an 
die Stelle der durch Karls Gau- und Sendgrafen geübten Gerech¬ 
tigkeit, Selbstvertheidigung und Selbstrache, kurz die Anfänge des 
nachher weiter ausgebildeten Faustrechts (des Rechts der Selbst¬ 
hülfe), getreten waren. Dazu kam noch ein anderer betrübender 
Umstand, welcher die Kräfte des Landes auch nicht wenig schwäch¬ 
te, nämlich die Abnahme der freien Leute. Jeder freie Mann war 
zum Heerbanne verpflichtet d. h. er musste bei entstehendem Krie¬ 
ge mit Lebensmitteln auf drei Monate mit Kleidung und Waffen 
sich versehen und mit in den Krieg ziehen. Da nun diese Kriege 
sehr häufig waren, so suchten viele Freie von dieser Pflicht sich los-
	        
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