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jetzt gehörten sie allein und gänzlich der Kirche. Nur die Geist¬
lichkeit sollte ferner den Bischof wählen, der Papst ihn bestätigen;
die weltliche Macht sollte gar Nichts mehr dabei zu befehlen ha¬
ben. Das waren die beiden Grundpfeiler der neuen Kirchenmacht:
Sittenreinheit im Innern, Unabhängigkeit von Außen. Und da¬
mit nun der Papst wiederum in der Kirche der Erste sei, erklärte
er jede Kirchenversammlung für ^ungültig, die nicht vom Papste
allein ausgeschrieben wäre. Auch die Verbindung mit der gesamm-
ten Kirche wusste er einzuleiten und zu erhalten, indem er Lega¬
ten (Abgesandte) überall hinschickte, die nach dem Rechten sehen und
die päpstliche Macht handhaben mussten.
Wenn Gregor diese Gesetze in Deutschland durchführen konn¬
te, so war der große Plan ausgeführt. Die Gelegenheit war gün¬
stig. Die Sachsen hatten Heinrich bei ihm angeklagt, Heinrich
unvorsichtiger Weise wieder die Sachsen, und so war er von selbst
Schiedsrichter geworden. Er beschied Heinrich vor seinen Richter¬
stuhl nach Rom und sprach über alle Bischöfe, die Heinrich durch
Simonie in ihre Ämter gebracht hatte, den Kirchenbann aus.
Heinrich nahm die Sache zu leicht, hielt 1076 ein Concil zu
Worms von deutschen Bischöfen und setzte Gregor ab. Die¬
ser wagte das Kühnste, that den weltlichen Herrn der Christenheit
selbst in den Bann, sprach alle Völker von ihrer Eidespflicht ge¬
gen ihn los uud entsetzte ihn seiner kaiserlichen und königlichen
Würde. Heinrich lachte Anfangs. Bald aber ward er mit
Schrecken gewahr, daß mit Ausnahme der Städter und Bauern
Alles von ihm absiel und ihn wie einen Verpesteten mied. Gre¬
gor hatte die frommen Deutschen gekannt. In ganz Deutschland
erhob sich der Aufruhr. Die sächsischen Fürsten machten sich frei
und vertrieben die fränkischen Besatzungen. Alle Feinde erhoben
sich. Ein Fürstentag setzte Heinrich so lange ab, bis er sich vom
Banne befreiet habe. Noch dazu ward ihm der Weg nach Italien
versperrt. Heinrich sah kein anderes Mittel, als sich nach Italien
durchzuschleichen und sich vom Banne lossprechen zu lassen. Von
seiner getreuen Bertha, seinem kleinen Sohne und einem einzigen
Ritter begleitet, trat er um die Weihnachtszeit des sehr harten
Winters 1076 die Reise über die unwegsamen Alpen an. Es