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keit über die Kirche zu übernehmen. Die bischöflichen Rechte gin»
gen also auf die Fürsten über, die Kirche wurde von der weltli¬
chen Macht abhängig.
38.
Huldreich Zwingli.
Schon früher hatte Luther gegen diejenigen zu kämpfen ge¬
habt, welche sich zwar auch auf die heilige Schrift beriefen, aber
einzelne Stellen aus dem Zusammenhänge herausrissen und diese
willkürlich erklärten, welche damit Menschenwort und Menschen¬
verstand an die Stelle von Gotteswort und Christenglauben setzen
wollten. Von dieser Willkühr in der Schriftauslegung drohete der
Reformation die größte Gefahr: eine Zersplitterung in einzelne
Parteien und Kirchlein. Darum stritt Luther auf diesem Gebiete
fast noch eifriger und leidenschaftlicher, als gegen seine katholischen
Gegner. Der bedeutendste dieser Mitreformatoren und Gegner
war Huldreich (Ulrich) Zwingli.
Am 1. Jan. 1484 im Toggenburgischen in der Schweiz ge¬
boren, Sohn wohlhabender Landleute, Enkel einer frommen Gro߬
mutter, die viele Legenden zu erzählen wußte, erhielt er bei einem
Oheim, welcher Geistlicher war, den ersten Unterricht, kam dann
nach Basel, studirte in Bern die alten Sprachen, in Wien die
Philosophie und wurde Lehrer in Basel. Schon damals galt er
für einen Ketzer; er fühlte, gleich Luther, das Bedürfniß einer
Kirchenverbesserung und fand die Grundlage dafür ebenfalls in der
heiligen Schrift. Schon im 22. Jahre war er wegen seiner Ge¬
lehrsamkeit und Tüchtigkeit in der ganzen Schweiz berühmt und
wurde darum zum Pfarrer nach Glarus berufen, ging aber bald
als Leutpriester nach Einsiedlen. Hier beschäftigte er sich besonders
eifrig mit dem Studium des Neuen Testaments. Immer mehr
erkannte er die Gebrechen und Mißbräuche der Kirche. Er wandte
sich um Abstellung derselben an den Bischof von Constanz und
unternahm selbst vorsichtig manche Verbesserungen. Im I. 1518
ging er an das große Münster zu Zürich als Leutpriester. Hier
begann er mit großem Beifall in seinen Predigten das Aeue Te-