172 — 
Ich bin ein armer Exulant, 
also tu' ich mich schreiben, 
man tut mich aus dein Vaterland 
atm Bottes Wort vertreiben. 
Als unsre Vorfahren bei dem Abzug auf der Höhe standen und 
zum letzten Male in das liebe, liebe Heimatstal hinabschauten, wollte 
ihnen doch das Herz schier vor Weh brechen, und es war gut, daß 
einer im Zuge sich ermannte und das laute Schluchzen kräftig übertönend 
anstimmte: 
Warum sollt' ich mich denn grämen? Hab' ich doch Christum noch, 
wer will mir den nehmen? Wer will mir den Himmel rauben, 
den mir schon Gottes Sohn beigelegt im Glauben? 
Da fiel erst hier einer, dann dort ein andrer ein, bis es von einem 
Ende zum andern klang: 
Der es schickt, der wird es wenden, 
er weiß wohl, wie er soll 
all mein Unglück wenden. 
27000 Seelen haben damals ihr Vaterland um ihres Glaubens 
willen verlassen. Ganze Dörfer vom Schulzen bis zum Nachtwächter find 
ausgewandert. 
3. Aber nur ein einziger Fürst, Friedrich Wilhelm I. von Preußen, 
nahm sich ihrer tätig an. Er hatte schon beim Kaiser kräftig gegen die 
Verfolgung seiner Elaubensbrüder geeifert. Jetzt bot er ihnen eine neue 
Heimat in seinen Landen an, und 16 300 Vertriebene folgten dankbar 
dem Rufe des edlen Königs. Mein Großvater hat von seiner Wander¬ 
fahrt durch Deutschland viel Merkwürdiges aufgeschrieben. Heute will 
ich davon nur vorlesen, wie der König selbst sie in Potsdam empfangen 
hat, nachdem er seinen neuen Untertanen den Dr. Gödel bereits nach 
Bayern entgegengesandt hatte, der sie geleiten, für ihr Unterkommen sor¬ 
gen und sie mit Reisegeld unterstützen sollte. Darüber schreibt unser lieber 
Vorfahr Anton Bacher, nach dem du, lieber Toni, deinen Namen hast: 
4. „Als unser Zug im Mai 1732 nach Potsdam kam, standen die 
Pastoren im Amtsrocke, die Schuljugend und die Waisenkinder vor der 
Stadt. Der eine Pastor begrüßte uns mit einer Rede, dann geleiteten 
sie uns mit dem Liede: „Allein Gott in der Höh' fei Ehr'" bis vor des 
Königs Schloß nahe am Tore, und dort stellten wir uns in langen Reihen 
auf; denn der König wollte uns sehen. Bald erschien er mit der Frau 
Königin am Arme. Wir hatten uns erst vor ihm gefürchtet; denn es hieß, 
er wäre sehr streng. Aber die Furcht schwand bald, als er uns gar gnädig 
anredete, einzelne nach Stand und Namen fragte, sich erkundigte, was 
wir gelitten hätten, und uns so schön tröstete, daß uns das Wasser in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.