Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

oder Reichsheeren angegriffen wurden. Am wildesten blieben die Taboriten 
und Waisen, die unter dem Vorwände der Religion, nachdem sie ihr Vater¬ 
land genug verwüstet hatten, die benachbarten Länder angriffen, und da furcht¬ 
bare Verwüstungen anrichteten. Sie fielen bald in Baiern, bald in Schle¬ 
sien, oder in Sachsen, Mähren, Lausitz und Oestreich ein, erfüllten Alles 
mit dem Schrecken ihres Namens, und kehrten dann mit reicher Beute be¬ 
laden zurück. Kein Wunder, daß die deutschen Fürsten sich zu einem neuen 
Zuge gegen die Hussiten verbanden. Anführer war wieder der Markgraf 
von Meißen, nun auch Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Streitbare. 
Die Hussiten hatten sich bei Außig 1426 an der Elbe hinter Wagen ver¬ 
schanzt, und wurden hier von den Deutschen angegriffen, die aber dabei eine 
solche Niederlage erlitten, daß über ganz Deutschland der Schrecken kam. 
Glücklicherweise sielen die Hussiten, sobald die äußern Feinde vertrieben waren, 
gleich sich selbst wieder an, und rieben dadurch ihre Kräfte auf. 
Die erschrockenen deutschen Fürsten rüsteten sich indessen — auch der 
Papst mahnte dazu — zu einem neuen Zuge 1427, der endlich entscheiden 
sollte. Man wollte Böhmen von 4 Seiten zugleich angreifen. Das eine 
dieser Heere belagerte die Stadt Mies (in der Gegend von Pilsen). So¬ 
gleich eilte Prokop Holy herbei. Bei dem Anblick der Hussiten wurden aber 
die Deutschen von einem solchen Schrecken ergriffen, daß sie eiligst davon 
flohen. Auf der Flucht wurden viele Tausende durch die Hussiten erschlagen, 
und die andern deutschen Heere machten sich, da sie von der Niederlage hör¬ 
ten, auch schnell davon. 
Sogleich erneuerten die Taboriten und Waisen wieder ihre Einfälle in 
die benachbarten Länder, überall die schrecklichsten Spuren ihrer Verwüstungen 
zurücklassend. Ein Haufen drang bis Breslau, ein andrer gar bis in die 
Nähe von Berlin vor. Am fürchterlichsten war aber der Einfall, den sie 
1429 und 1430 nach Sachsen und Nordbaiern unternahmen. Sie zogen die 
Elbe hinab über Pirna, Dresden, Meißen, Torgau bis ins Magdeburgische, 
wobei über 100 Städte und 1400 Dörfer verwüstet wurden, und schleppten 
die Beute auf 3000 Wagen, von denen manche mit 12—14 Pferden bespannt 
waren, nach Böhmen zurück. 
Da alle Versuche, die der Kaiser gemacht hatte, die Hussiten zur Aner¬ 
kennung seiner Würde zu bringen, gescheitert waren, so wurde 1431 ein Kreuz¬ 
zug gegen die Hussiten beschlossen, zu dem der Papst (Eugen IV.), der einen 
Cardinal-Legateu, Julian, mit einer Kreuzesbulle nach Deutschland geschickt 
hatte, noch mehr aufeuerte. Das Kreuzheer, das von dem Kurfürsten von 
Brandenburg, Friedrich I., angeführt wurde, brach in Böhmen ein, und 
belagerte die Stadt Tauß (im westlichen Böhmen, unweit des Böhmerwal¬ 
des). Sobald es aber hieß: „die Hussiten kommen!" entstand eine greuliche 
Verwirrung im Lager. Ein Theil zog gleich auf und davon, worauf sich alle 
Ordnung auflöste, und die Soldaten zum Theil einzeln davon liefen. Der 
kriegerische Cardinal brachte es durch Vorstellungen dahin, daß ein Theil des 
Heeres wieder Halt machte. Aber als Prokop Holy mit den Hussiten wirk¬ 
lich erschien, stürzte sich Alles in die verwirrteste Flucht. Die Hussiten ver¬ 
folgten sie, schlugen an 11,000 todt, und machten große Beute. Selbst der
	        
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