Full text: Mittlere Geschichte (Theil 2)

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tiefe Gedanken verloren, für sich allein, dachte über höhere Dinge, über Gott, 
Unsterblichkeit und Bestimmung des Menschen nach, und hörte und sah nicht, 
was um ihn herum vorging. „Die Menschen um dich herum," so dachte er, 
„sind in düstern Aberglauben versunken. Wie? wenn du ihnen bessere Be¬ 
griffe beibrächtest?" Zuerst dachte er an die jüdische Religion; aber die Juden 
waren damals schon eine verachtete Nation, und ihre Religion erschien ihm 
so engherzig, daß er kein Herz zu ihr fassen konnte. Auch die christliche Re¬ 
ligion sprach ihn nicht an; denn ihren wahren Geist hatte er nicht gefaßt, 
weil er in den Handelsstädten Klein-Asiens, wo er mit den Christen zusam¬ 
mengetroffen war, nur die Streitsucht der Parteien, nicht aber den Geist der 
Liebe, Milde und des Gottvertrauens kennen gelernt hatte. Aber jede dieser 
Religionen enthielt, wie ihm schien, manches Gute; dies wollte er sammeln, 
der Phantasie seiner Morgenländer anschaulich vorstellen, und so der Stifter 
einer neuen Religion werden. Dieser Gedanke entzückte ihn so, daß er nun 
für nichts Anderes Sinn hatte. Er gab seine Handelsgeschäfte auf, suchte 
die Einsamkeit, und da sich sein Geist in übersinnliche Grübeleien verlor, sein 
Körper aber wenig Nahrung erhielt, so ist kein Wunder, daß er manchmal 
seltsame Gestalten zu sehen glaubte. Endlich bildete er sich wirklich ein, was 
er so gern glaubte, daß Gott ihn zu seinem Propheten ausersehen habe, daß 
Engel zu ihm herabstiegen, und ihm den Willen Gottes verkündigten. Jetzt 
war er 40 Jahre alt; er stand da in seiner vollen Kraft, ganz dazu gemacht, 
die Idee, von deren Wahrheit und Wichtigkeit er so fest überzeugt war, stand¬ 
haft auszusühren. Vom Engel aufgefordert, trat er ans. Er lehrte: „es ist 
nur ein Gott, und Muhamed ist sein Prophet." In den ersten Jahren ge¬ 
wann er für seine Lehre nur seine Frau, seinen Vetter Ali, seinen Freund 
Abub ekr und noch 11 andre Personen, die Alle fest an seine göttliche Sen¬ 
dung glaubten. Er gebot ihnen oft wiederholte Waschungen, täglich 5 Mal 
zu beten, reichlich Almosen auszntheilen, und schilderte ihnen die Belohnungen 
des Frommen nach dem Tode, wie sie den sinnlichen Morgenländer am meisten 
ansprechen mußten. Erst im vierten Jahre trat er mit seiner Lehre, die er 
den Islam (Glauben) nannte, dreister hervor, und theilte ihn erst seiner 
Familie, dann auch Andern mit. Ali, Abu-Talebs Sohn, erklärte sich zuerst 
für überzeugt. Aber nur Wenige, selbst unter den Haschemiten, glaubten an 
ihn; die Meisten hielten ihn für einen Wahnsinnigen oder für einen gefähr¬ 
lichen Betrüger; ja es verschwor sich sein eigener Stamm, die Koreischiten, 
gegen sein Leben (die Mörder und der Tag der Ermordung waren schon be¬ 
stimmt, sein Haus schon umringt, von jedem Stamme sollte ein Schwert in 
sein Herz gestoßen werden), und nur eine schleunige Flucht aus Mekka konnte 
ihn retten. Er ging nach Medina, wo ihn die Einwohner, weil sie Feinde 
der Mekkaner waren, gut aufnahmen, und als Propheten anerkannten. Daher 
wird vom Jahre seiner Flucht (Hedschra), 622, der Anfang 'seiner Herr¬ 
schaft und die Stiftung seiner Religion gerechnet, und noch heute rechnen die 
Muhamedaner ihre Jahre danach. In Medina wurde er aber nicht nur als 
Prophet, sondern auch als König verehrt. Er sammelte nun seine Anhänger, 
bewaffnete sie, und führte den wilden, begeisterten Haufen gegen seine Feinde. 
Besonders nützlich war ihm aber die Lehre, daß, wer für den Islam den 
Tod fände, geradezu ins Himmelreich käme, wo seine Wunden wie der köst-
	        
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