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tiefe Gedanken verloren, für sich allein, dachte über höhere Dinge, über Gott,
Unsterblichkeit und Bestimmung des Menschen nach, und hörte und sah nicht,
was um ihn herum vorging. „Die Menschen um dich herum," so dachte er,
„sind in düstern Aberglauben versunken. Wie? wenn du ihnen bessere Be¬
griffe beibrächtest?" Zuerst dachte er an die jüdische Religion; aber die Juden
waren damals schon eine verachtete Nation, und ihre Religion erschien ihm
so engherzig, daß er kein Herz zu ihr fassen konnte. Auch die christliche Re¬
ligion sprach ihn nicht an; denn ihren wahren Geist hatte er nicht gefaßt,
weil er in den Handelsstädten Klein-Asiens, wo er mit den Christen zusam¬
mengetroffen war, nur die Streitsucht der Parteien, nicht aber den Geist der
Liebe, Milde und des Gottvertrauens kennen gelernt hatte. Aber jede dieser
Religionen enthielt, wie ihm schien, manches Gute; dies wollte er sammeln,
der Phantasie seiner Morgenländer anschaulich vorstellen, und so der Stifter
einer neuen Religion werden. Dieser Gedanke entzückte ihn so, daß er nun
für nichts Anderes Sinn hatte. Er gab seine Handelsgeschäfte auf, suchte
die Einsamkeit, und da sich sein Geist in übersinnliche Grübeleien verlor, sein
Körper aber wenig Nahrung erhielt, so ist kein Wunder, daß er manchmal
seltsame Gestalten zu sehen glaubte. Endlich bildete er sich wirklich ein, was
er so gern glaubte, daß Gott ihn zu seinem Propheten ausersehen habe, daß
Engel zu ihm herabstiegen, und ihm den Willen Gottes verkündigten. Jetzt
war er 40 Jahre alt; er stand da in seiner vollen Kraft, ganz dazu gemacht,
die Idee, von deren Wahrheit und Wichtigkeit er so fest überzeugt war, stand¬
haft auszusühren. Vom Engel aufgefordert, trat er ans. Er lehrte: „es ist
nur ein Gott, und Muhamed ist sein Prophet." In den ersten Jahren ge¬
wann er für seine Lehre nur seine Frau, seinen Vetter Ali, seinen Freund
Abub ekr und noch 11 andre Personen, die Alle fest an seine göttliche Sen¬
dung glaubten. Er gebot ihnen oft wiederholte Waschungen, täglich 5 Mal
zu beten, reichlich Almosen auszntheilen, und schilderte ihnen die Belohnungen
des Frommen nach dem Tode, wie sie den sinnlichen Morgenländer am meisten
ansprechen mußten. Erst im vierten Jahre trat er mit seiner Lehre, die er
den Islam (Glauben) nannte, dreister hervor, und theilte ihn erst seiner
Familie, dann auch Andern mit. Ali, Abu-Talebs Sohn, erklärte sich zuerst
für überzeugt. Aber nur Wenige, selbst unter den Haschemiten, glaubten an
ihn; die Meisten hielten ihn für einen Wahnsinnigen oder für einen gefähr¬
lichen Betrüger; ja es verschwor sich sein eigener Stamm, die Koreischiten,
gegen sein Leben (die Mörder und der Tag der Ermordung waren schon be¬
stimmt, sein Haus schon umringt, von jedem Stamme sollte ein Schwert in
sein Herz gestoßen werden), und nur eine schleunige Flucht aus Mekka konnte
ihn retten. Er ging nach Medina, wo ihn die Einwohner, weil sie Feinde
der Mekkaner waren, gut aufnahmen, und als Propheten anerkannten. Daher
wird vom Jahre seiner Flucht (Hedschra), 622, der Anfang 'seiner Herr¬
schaft und die Stiftung seiner Religion gerechnet, und noch heute rechnen die
Muhamedaner ihre Jahre danach. In Medina wurde er aber nicht nur als
Prophet, sondern auch als König verehrt. Er sammelte nun seine Anhänger,
bewaffnete sie, und führte den wilden, begeisterten Haufen gegen seine Feinde.
Besonders nützlich war ihm aber die Lehre, daß, wer für den Islam den
Tod fände, geradezu ins Himmelreich käme, wo seine Wunden wie der köst-